Merkels langer Bremsweg

Fünf Landtagswahlen, bei denen es konsequent für die Union nur in eine Richtung, und zwar abwärts ging, benötigte Kanzlerin Merkel, bis sie nun ihr Signal sendete: Ich habe verstanden.

Ihr Bremsweg war lang. Die Botschaft aber deutlich: Sie räumte Fehler ein, änderte ihre Rhetorik und vermittelte vor allem die Botschaft, dass sich eine Situation wie in der Flüchtlingskrise vor einem Jahr nicht wiederholen soll. So weit die Absicht, die auch ihre Kritiker gerne hören werden. Das Anliegen hinter ihrem kämpferischen Auftritt: Ich möchte auch über 2017 hinaus Kanzlerin bleiben.

Die für Merkels Zukunft entscheidende Frage ist aber, ob sie den Dauerstreit mit der CSU in der Flüchtlingspolitik wird lösen können. Der Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung, die Frage nach einer Obergrenze, braucht einen Kompromiss. Es muss eine Lösung geben, die den Bürgern die Sicherheit vermittelt, dass Recht und Ordnung durch massenhafte Flüchtlingsbewegung nicht mehr außer Kraft gesetzt werden können.

Viel Zeit bleibt dafür nicht. Spätestens im Dezember beim CDU-Parteitag in Essen muss Merkel erklären, ob sie noch einmal als Kanzlerkandidatin antritt. Ohne Unterstützung aus Bayern wäre eine Kanzlerkandidatur Merkels nicht viel erfolgreicher als zuletzt Frank Henkels Spitzenkandidatur in Berlin. Die Wähler werden der Union nicht vertrauen, solange sich die Schwesterparteien nicht gegenseitig vertrauen. Mit der gestern gestarteten rhetorischen Offensive hat Merkel den richtigen Schritt getan. Um das in der Flüchtlingskrise verlorene Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen, sollte die Regierung mit Taten nachlegen - zum Beispiel, was die effektive Rückführung von Ausreisepflichtigen betrifft.

Wenn die Volksparteien insgesamt wieder an Stärke gewinnen wollen, sollten sie auch ihre politische Kultur und den Umgang miteinander ändern. In Berlin schieben sich jetzt CDU und SPD gegenseitig die Schuld für ihre miesen Wahlergebnisse in die Schuhe. Recht haben sie beide. Die Schwächen von politischen Gegnern und auch von Koalitionspartnern im Wahlkampf offenzulegen, gehört zum Geschäft. Ihn aber mit permanentem Foulspiel kleinhalten zu wollen, schadet beiden Seiten. Die Wähler stimmen für Problemlöser, nicht für Streithähne.

Union und SPD steht im Bundestagswahlkampf 2017 die schwierige Aufgabe bevor, sich klar voneinander abzugrenzen, ohne die Volkspartei an sich weiter madig zu machen. Sollte dies nicht gelingen, dann war das Ergebnis von Berlin ein Vorgeschmack auf die künftigen Machtverhältnisse im Bund.

(qua)
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