Merkels zweifelhafte Rettung: die Groko

Die Kanzlerin sitzt zwischen allen Stühlen. Nur mit der SPD kann sie noch vier Jahre regieren. Eine Minderheitsregierung oder eine Neuwahl wären das kurzfristige Aus. Dafür sorgt dann schon die Union. Von Kristina Dunz

Sie nimmt es, wie es kommt, sagt die Kanzlerin gern ganz nonchalant. Angela Merkel, die Frau ohne Plan B. Jedenfalls betont sie, dass sie nicht das eine mit vollem Herzen tun und das andere parallel mit gleicher Verve verfolgen kann. Gerade kommt es aber ziemlich dicke für die CDU-Vorsitzende. Als geschäftsführende Regierungschefin muss sie einerseits ausländischen Partnern deutsche Stabilität versichern und andererseits die verunsichernde deutsche Hängepartei erklären. Und wenn der eigene geschäftsführende Landwirtschaftsminister beim Streitthema Glyphosat in Brüssel gegen die Regierungslinie stimmt, bleibt ihr auch nur, das tadelnd zur Kenntnis nehmen. Entlassen kann sie ihn nicht. Denn die Kabinettsmitglieder wurden, wie üblich nach einer Bundestagswahl, schon alle entlassen. Mit der Schwesterpartei CSU wird sie es künftig noch schwerer haben als bisher. Ihr Dauer-Widersacher Horst Seehofer leitet gegen seinen Willen ein Jahr vor der Landtagswahl in Bayern die Übergabe des Ministerpräsidentenamtes an seinen Dauer-Rivalen Markus Söder ein. Seehofer selbst will CSU-Chef bleiben, aber es darf bezweifelt werden, dass diese Ära über die Landtagswahl hinaus reichen wird. Ihm bliebe noch der Eintritt in ein Kabinett unter Merkel und die Illusion, dass sie trotz ihres erbitterten Streits um die Flüchtlingspolitik eine Schicksalsgemeinschaft der angeschlagenen Vorsitzenden bilden können. Denn auch in der CDU werden schon Pläne für die Zeit nach der Ära Merkel geschmiedet.

Der CDU-Wirtschaftsrat macht sich für eine unionsgeführte Minderheitsregierung stark. Auch Finanzstaatssekretär Jens Spahn und die Junge Union finden die Idee gut. Keine Regierungsform für jemanden wie Merkel, die freie Hand gewöhnt ist und sich nicht auf wechselnde Mehrheiten mit SPD, Grünen, Linken, der FDP mit ihrem Vorsitzenden und Jamaika-Verweigerer Christian Lindner oder gar mit der AfD verlassen wollen würde. Merkel weiß genau, dass damit der Anfang vom Ende besiegelt wäre. Die Haltbarkeit einer im Bund noch nie dagewesenen Minderheitsregierung dürfte bei etwa einem Jahr liegen. Dann gäbe es eine Neuwahl und bis dahin könnten sich die Merkel-Kritiker aufgestellt haben. Sie sehnen sich nach einem Konservativen wie Roland Koch oder Friedrich Merz. Es halten sich auch Hinweise aus den Jamaika-Verhandlungen, dass Spahn, Lindner und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gemeinsam darauf abgezielt hätten, ein Bündnis mit den Grünen zu verhindern. Jamaika hätte etwas ganz Neues werden und Merkel sich neu erfinden können, damit hätte sie ihre Position gefestigt und sich anschicken können, die 16 Rekordkanzlerjahre von Helmut Kohl einzuholen. Die sicherste Möglichkeit, das nun trotzdem zu schaffen, wäre die Neuauflage der großen Koalition. Zwar hat Merkel Anfang Oktober gesagt, die SPD sei auf absehbare Zeit nicht regierungsfähig. Aber manchmal dauert so eine Zeit eben nur ein paar Monate. Merkel und SPD-Chef Schulz müssten aber ganz andere Wege als bisher einschlagen, sonst könnte die nächste Wahl für sie noch schlimmer ausgehen als die im September. Sie müssten so etwas wie eine "Erzählung" bieten, in der sich Bürger vom armen Rentner bis zum Höchststeuersatz-Zahler wiederfänden.

Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, pocht aber schon mal auf die Handschrift der Union. Er sagte unserer Redaktion: "Die Union muss ihre inhaltlichen Positionen glattziehen. Sie hat in den vergangenen Jahren weniger auf Inhalte als auf strategische und machtpolitische Überlegungen gesetzt. Mit einem Kurs in die Beliebigkeit und ohne klare Konturen wird sie auch langfristig nicht erfolgreich sein. Ihre Markenartikel sind aus dem Schaufenster verschwunden etwa eine solide Energiepolitik, die Wehrpflicht oder die Ehe von Mann und Frau." Noch sind laut einer Forsa-Umfrage mehr als drei Viertel der CDU-Mitglieder mit Merkel zufrieden. Im Falle ihres Abschieds wären die meisten von ihnen (45 Prozent) für Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und 43 Prozent für Parteivize Julia Klöckner als Nachfolgerin. Die CDU bliebe demnach in Frauenhand.

(kd)
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