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Trump verliert Sicherheitsberater Flynn Chaostage in Washington

Washington · Die US-Regierung ist noch nicht komplett, da muss der erste Posten schon neu besetzt werden. Donald Trumps Sicherheitsberater Michael Flynn stürzte über ein Telefonat mit dem russischen Botschafter. Für den neuen US-Präsidenten eine peinliche Schlappe.

 Der Mann, der zu früh telefonierte: Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn.

Der Mann, der zu früh telefonierte: Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn.

Foto: dpa, ks hjb vge

Ein dramatischer Machtkampf im Weißen Haus endet mit einem spektakulären Rücktritt. Nach nur etwas mehr als drei Wochen im Amt hat Michael Flynn, der Nationale Sicherheitsberater der USA, seinen Rücktritt erklärt.

In dem Brief, mit dem er Abschied vom Amt nahm, räumte Flynn doch noch ein, was er lange dementiert hatte: Dass er nicht die Wahrheit gesagt hatte über ein im Dezember geführtes Telefonat mit dem russischen Botschafter in Washington. Wegen des hohen Tempos der Ereignisse, schrieb er, habe er es "versehentlich" versäumt, den designierten Vizepräsidenten Mike Pence und andere vollständig über sein Gespräch mit Sergej Kisljak zu informieren. Er habe sich dafür entschuldigt, fügte er an, um das Schreiben eher trotzig mit der Schlüsselparole aus Donald Trumps Wahlkampf zu beenden - "Make America Great Again". Kommissarischer Nachfolger Flynns wird Keith Kellogg (72), ein hochdekorierter Veteran des Vietnamkriegs.

Die Demokraten im Kongress fordern nun eine parlamentarische Untersuchung der Geschehnisse und eine Antwort auf die Frage: Wann, wusste Donald Trump was?

Nach Darstellung seines Sprechers Sean Spicer war Trump mehr als zwei Wochen darüber informiert, dass der Ex-General noch zu Zeiten der Regierung von Präsident Barack Obama mit Russlands Botschafter in Washington über US-Sanktionen gegen Moskau gesprochen hatte. Trump habe dies rechtlich untersuchen lassen, sagte sein Sprecher Sean Spicer. Das Weiße Haus habe den Vorgang aber nicht als rechtliches Problem bewertet, Trump werte ihn als eine Frage des Vertrauens.

Man habe den Vorgang über Wochen täglich untersucht und bewertet, sagte Spicer am Dienstag. Das Vertrauen zu Flynn habe bis zu einem Punkt abgenommen, an dem Trump einen Wechsel habe vollziehen müssen.
"Der Präsident muss absolutes Vertrauen in diese Person haben", sagte Trump. Der Präsident sei sehr betroffen gewesen, dass Vizepräsident Mike Pence in die Irre geführt worden sei, sagte Spicer.

Obamas Denkzettel für Putin

Es war an einem der ruhigen Tage nach Weihnachten, als der pensionierte Dreisternegeneral mit Kisljak über die Sanktionen sprach, die Barack Obama gerade gegen Russland verschärft hatte. Der scheidende US-Präsident wollte Moskau einen Denkzettel verpassen, während er dem Kreml vorwarf, die amerikanische Wahl mit gezielten Hackerangriffen manipuliert zu haben. Flynns Aufgabe dürfte es gewesen sein, Moskau baldiges Tauwetter nach vorübergehender Eiszeit zu signalisieren, ob im Auftrag Trumps oder auf eigene Faust, bleibt vorläufig offen. Da er aber zu jener Zeit noch kein Regierungsamt innehatte, verstieß er gegen geltendes Recht. Ein US-Gesetz aus dem 18. Jahrhundert verbietet es Privatleuten, mit ausländischen Regierungen über Staatsangelegenheiten zu verhandeln.

So weit, so theoretisch. Was den Berater tatsächlich zwang, das Handtuch zu werfen, war wohl eher eine veritable Vertrauenskrise im eigenen Haus. Pence nahm ihm übel, dass er ihn angelogen hatte. Denn es war Pence, der noch vor Tagen beteuert hatte, bei dem Telefonat zwischen Flynn und Kisljak sei es nie um Sanktionen gegangen. In die Irre geführt und blamiert, gehörte er am Ende zu denen, die am energischsten auf die Demission drangen. Bei alledem gibt es Stimmen in Washington, die von der Rache der Schlapphüte am Kabinett Trump sprechen, im Grunde an einem Präsidenten, der lange kein Hehl daraus machte, mit welch tiefem Misstrauen er den Geheimdiensten CIA und NSA begegnet. Flynns Gespräch mit Kisljak wurde abgehört, und dass sein Inhalt durchgestochen wurde, war zu erwarten. Zu intensiv tobt die Debattenschlacht darüber, wie viel Nähe oder Distanz zu Wladimir Putin ratsam wäre.

Details sind nicht zu erfahren

Einst Chef des Militärgeheimdienstes der Vereinigten Staaten, war Flynn wiederholt im staatlich finanzierten russischen Auslandskanal Russia Today aufgetreten und hatte bei einem Galadiner des Senders neben Putin gesessen. Wie erst jetzt bekannt wurde, ließ das Justizministerium dem Weißen Haus bereits Ende Januar eine Einschätzung zukommen, wonach er durch den Kreml erpresst werden könnte. Wie genau, ist bislang nicht zu erfahren.

Klar scheint aber auch, dass hinter den Kulissen erbittert gerungen wurde um die Personalie. Flynn hat Trump bereits im Wahlkampf beraten, als das republikanische Establishment dem Milliardär die kalte Schulter zeigte. So etwas begründet eine gewisse Loyalität, es dürfte das tagelange Zögern des Präsidenten ebenso erklären wie den chaotischen Eindruck, den die Akteure der Machtzentrale vermittelten. Noch Stunden vor Flynns Abgang erklärte Kellyanne Conway, als PR-Beraterin eine zentrale Figur in Trumps Kampagnenteam, der Mann genieße das volle Vertrauen des Präsidenten. Nun, der Präsident prüfe die Lage, schob Trumps Sprecher Sean Spicer kurz darauf trocken hinterher.

Ein Hardliner im inneren Kreis

Eigentlich wollte Flynn am Freitag zusammen mit Pence und Verteidigungsminister James Mattis zur Münchner Sicherheitskonferenz fliegen. Nun ist er in der Chronik der Nationalen Sicherheitsberater derjenige mit der kürzesten Verweildauer. Im inneren Zirkel der Macht zählte der Ex-General aus dem Zwergstaat Rhode Island zu den Hardlinern, ebenso wie Steve Bannon, der rechtspopulistische Chefstratege, während Mattis und Außenminister Rex Tillerson als eher pragmatische Köpfe gelten. Flynn, so schreibt er es selbst in seinem 2016 erschienenen Buch "Field of Fight", sieht den Westen in einem "globalen Krieg mit dem radikalen Islam und dessen Verbündeten". Die feindliche Koalition reiche von Nordkorea über China, den Iran und Syrien bis nach Kuba, Venezuela und Nicaragua - Teheran sei der Dreh- und Angelpunkt dieser Allianz. Ein Sicherheitsberater Flynn, ist zu vermuten, hätte energisch auf die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran gedrungen.

(RP)
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