Neuer Vizepräsident Mike Pence will für Trump die Strippen ziehen

Düsseldorf · Noch steht die neue Regierungsmannschaft nur in Konturen. Aber schon jetzt ist klar: Auf den Vize-Präsidenten kommt es an. Aber kann Mike Pence seinen Chef einfangen?

 Mike Pence ist mit seiner Frau Karen seit mehr als 30 Jahren verheiratet.

Mike Pence ist mit seiner Frau Karen seit mehr als 30 Jahren verheiratet.

Foto: dpa

Eine der weltweit größten Job-Maschinen hat zu rotieren begonnen. Ein Machtwechsel im Weißen Haus bedeutet für Scharen von Mitarbeitern der scheidenden Administration, dass sie die Kartons packen müssen. Rund 4000 Posten in Ministerien, Bundesbehörden und Botschaften rund um den Globus wird der neue Präsident Donald Trump zu besetzen haben, gut 1000 der Berufungen bedürfen zudem der Zustimmung durch den Senat. Die Nominierungen für die wichtigsten dieser Kandidaten muss Trump nach den offiziellen Richtlinien bis Dezember vorlegen.

"Transition of Power"

Eine spezielle Stabsabteilung im Weißen Haus unterstützt jeden neuen Präsidenten bei dieser Herkulesaufgabe der "Transition of Power", die mit Millionen Dollar vom Steuerzahler finanziert wird. Bis zu Trumps offizieller Amtseinführung am 20. Januar, also in gerade einmal 70 Tagen, muss der gigantische Personaltausch vollzogen sein. Die bis zu 50 Minister und wichtigsten Berater sollte Trump aber schon bis zum Thanksgiving-Fest in zwei Wochen benannt haben, so will es die politische Tradition.

Das wird ein hartes Stück Arbeit, denn bisher ist nur ein einziger Job aus Trumps künftiger Regierungsmannschaft fest vergeben, der des Vizepräsidenten: Mike Pence. Sein Name stand auf den Wahlplakaten immer nur ganz klein unter dem von Donald Trump, aber der 57-Jährige könnte als künftige Nummer Zwei im Weißen Haus eine ungewöhnlich wichtige Rolle spielen. Denn Pence hat all das, was Trump für die Ausübung der Regierungsgeschäfte schmerzlich fehlt, vor allem jahrelange Erfahrung im politischen Maschinenraum Washingtons. Pence, der von 2001 bis 2013 als Abgeordneter im Repräsentantenhaus saß, verfügt seither über wertvolle Kontakte in den Kongress, die Trump brauchen wird, wenn er seine Politik auch umsetzen will.

Pence setzte alles auf die Karte Trump

Das gilt umso mehr, als sich der neue Präsident während des Wahlkampfes mit einem großen Teil des Partei-Establishments der Republikaner heftig überworfen hat. Pence dagegen ist ein ausgebuffter Insider, und er ist populär in der Grand Old Party, besonders auf der religiösen Rechten - wohl auch ein wichtiger Grund, warum Trump den Gouverneur von Indiana bereits im Juli als seinen möglichen Vizepräsidenten benannte. Pence, der zunächst selbst mit einer Präsidentschaftskandidatur geliebäugelt hatte, verzichtete vorzeitig darauf, sich für den Gouverneursposten in Indiana zur Wiederwahl zu stellen, und setzte ganz auf die Karte Trump.

Neben seiner Verwurzelung bei den Republikanern kann Pence mit einer politischen Bilanz als Gouverneur auftrumpfen, die sich in der Tat sehen lässt. Indiana, so Pence stolz, sei "ein Staat, der funktioniert. Er hat ausgeglichene Haushalte. Wir haben Steuern gekürzt und Rekordinvestitionen in Bildung und Infrastruktur gemacht". Er hinterlasse Indiana zwei Milliarden Dollar auf der hohen Kante, so Pence. Damit sitzt wenigstens ein Mann künftig im Weißen Haus, der schon konkrete Regierungserfahrung hat, wenn auch nicht auf Bundesebene.

Auch sonst wirkt Pence wie der hochseriöse Gegenentwurf zum impulsiven und häufig vulgären Trump. Im TV-Duell gegen Hillary Clintons designierten Vizepräsidenten Tim Kaine machte Pence eine sehr gute Figur und trug einen klaren Punktsieg davon. Er selbst beschrieb sich einmal selbst als "Christ, Konservativer und Republikaner - und das in dieser Reihenfolge". Pence ist seit mehr als 30 Jahren mit derselben Frau verheiratet und ein eifriger Kirchgänger. Nach seinem Jurastudium hatte der evangelikale Christ zunächst als Anwalt und konservativer Radiomoderator gearbeitet, was seinen öffentlichen Auftritten bis heute anzumerken ist. Pence drückt sich meist druckreif und abgewogen aus. Bevor er Trumps Vizekandidat wurde, unterstützte Pence im Vorwahlkampf der Republikaner den erzkonservativen Ted Cruz, den Liebling der "Tea Party". Und er hielt sich auch nicht mit teils scharfer Kritik an Trump zurück. So sprach er sich etwa gegen dessen Forderung nach einem pauschalen Einreiseverbot für Muslime aus, die er als "widerlich und verfassungswidrig" bezeichnete - eine Äußerung, die er freilich später widerrief.

Lässt sich Trump steuern?

Auch nach Trumps bösartigen Ausfällen gegen die muslimischen Eltern eines gefallenen Soldaten distanzierte sich Pence, und zur Frage eines möglichen amerikanischen Luftangriffs auf Syriens Machthaber Baschar al Assad zeigten sich die beiden Männer öffentlich ebenfalls alles andere als einig. Das nährte bereits die Hoffnung, Pence könne im Weißen Haus möglicherweise als mäßigendes Gegengewicht zu Trump wirken. Das verkennt jedoch die vergleichsweise geringe Machtfülle, über die ein amerikanischer Vizepräsident verfügt. Allerdings liegt es auch sehr am Geschick des Amtsinhabers, was er aus der Funktion macht. Pence selbst hat einmal gesagt, sein Vorbild sei Dick Cheney, der George W. Bush als Vize diente. Cheney galt in Washington als graue Eminenz und in vielen Fragen als wahrer Entscheider hinter Bush. Dass ein Donald Trump sich von seinem Vize derartig manipulieren lassen könnte, hält jedoch in Washington niemand für vorstellbar.

Gut möglich ist dagegen, dass Pence sich als geschickter Strippenzieher und nützlicher Makler gegenüber der republikanischen Mehrheit im Kongress eine zentrale Rolle im Trump-Apparat erarbeitet. So hat er einen exzellenten Draht zum republikanischen Mehrheitsführer Paul Ryan, der mit Trump mehrfach heftig aneinandergeraten ist, sich aber öffentlich als "großer Fan" von Pence bezeichnet hat. So könnten unter Vermittlung von Pence einige symbolisch wichtige Wahlversprechen Trumps schon in den ersten, traditionell besonders beachteten 100 Tagen seiner Amtszeit den Kongress passieren, darunter die Abschaffung der von Obama eingeführten allgemeinen Krankenversicherung ("Obamacare"), die drastische Senkung von Steuern und die ebenso drastische Anhebung der Verteidigungsausgaben. Auch die Aufhebung einiger von den Republikanern seinerzeit heftig bekämpfter Präsidialerlasse Obamas zu Zuwanderung, Arbeitsrecht und Umwelt dürfte schnell durchgehen.

Stramm konservative Richter

Ob Pence auch eine eigene politische Agenda verfolgt, wird sich zeigen. Seine Interessen liegen vorwiegend auf gesellschaftspolitischem Gebiet, und dort zeigte er sich in der Vergangenheit teilweise ähnlich radikal wie Trump. So forderte Pence den Kongress im Jahr 2000 auf, Geld für Einrichtungen bereitzustellen, die Menschen helfen, ihr sexuelles Verhalten zu ändern. Konkret gemeint waren damit Schwule. 2015 unterzeichnete er dann als Gouverneur ein Gesetz zur Religionsfreiheit, das es Geschäften erlaubte, homosexuelle Kunden abzuweisen. Nach einem Sturm der Entrüstung musste er das Gesetz überarbeiten lassen.

Pence könnte daher auch versuchen, gezielt Einfluss auf eine Reihe von strategischen Personalien außerhalb der eigentlichen Regierung zu nehmen, die Trump ebenfalls regeln muss. Das betrifft insbesondere die Besetzung des Supreme Court. Ein Sitz im obersten US-Gerichtshof ist nach dem Tod eines Richters vakant, weitere Wechsel stehen aus Altersgründen schon bald an. Das Gericht hat einen enormen Gestaltungsspielraum, seine Urteile etwa zum Abtreibungsrecht, zum Waffenbesitz, zu Minderheitenrechten und zur Einwanderung prägen die Gesellschaft stärker als die meisten Gesetze. Die Ernennungen der Verfassungsjuristen erfolgen auf Lebenszeit und sind auch aus diesem Grund jedes Mal Gegenstand erbitterter ideologischer Grabenkämpfe. So viel ist klar: Unter Trump und Pence ist ausschließlich die Nominierung von Richtern mit stramm konservativer Gesinnung zu erwarten.

(RP)
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