Kabul Mindestens 80 Tote bei IS-Anschlag in Kabul

Kabul · Die tödlichste Terrorattacke seit 2001 in Kabul schürt Angst vor Erstarken des IS in Afghanistan.

In den Krankenhäusern kämpften Schwerverletzte um ihr Leben, während in aller Eile Gräber für die Toten ausgehoben wurden. Einen Tag nach dem verheerenden Terroranschlag in Kabul herrschten gestern in Afghanistan Schock, Trauer und hilflose Wut. Tausende Angehörige der ethnischen Minderheit der Hazara hatten am Samstag friedlich in der Hauptstadt demonstriert, als sich ein Selbstmordattentäter mitten in der Menge in die Luft sprengte.

Mindestens 80 Menschen starben und mehr als 230 wurden verletzt. Damit war es der tödlichste Anschlag in Afghanistans Hauptstadt seit 2001. Der Islamische Staat (IS) reklamierte die Schreckenstat für sich. Sollte sich dies bestätigen, wäre es die erste große Attacke des IS in Kabul und auf eine ethnische Minderheit in Afghanistan. Dies schürt Ängste vor einem Erstarken des IS und wachsenden ethnischen Konflikten in dem kriegsgebeutelten Land.

Bisher war der IS vor allem im Osten Afghanistans in der Provinz Nangarhar an der Grenze zu Pakistan aktiv. Der IS konkurriert mit den Taliban um Kämpfer und Einfluss. Viele IS-Kämpfer sind ehemalige Taliban-Milizen, die mit der Taliban-Führung unzufrieden waren und zum IS übergelaufen sind. Zeitweise kam es zu Kämpfen zwischen beiden Gruppen. Die Regierung plant laut Medien eine Militäroffensive in Nangarhar. "Ich verspreche", sagte Präsident Ashraf Ghani in einer TV-Ansprache, "ich werde Rache an den Schuldigen üben."

Auch die Taliban, die für viele bisherige Anschläge in Kabul verantwortlich sind, verurteilten den "tragischen Anschlag". Dieser ziele darauf, "Zwietracht in der Nation" zu schüren und einen Bürgerkrieg zu entfachen. Die persischsprachigen Hazara stellen mit etwa neun Prozent die drittgrößte Bevölkerungsgruppe in Afghanistan nach Paschtunen und Tadschiken. Sie sind überwiegend schiitische Muslime, während die Mehrheit der Afghanen und der IS sowie die Taliban Sunniten sind.

Das Blutbad an den friedlichen Demonstranten sorgte weltweit für Entsetzen. Amnesty International sprach von einer abstoßenden Attacke, die zeige, dass der Konflikt in Afghanistan sich nicht beruhige. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den Anschlag als "abscheuliches Verbrechen", das sich gegen Bürger gerichtet habe, die friedlich für ihre Grundrechte eingetreten seien. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem "furchtbaren Terroranschlag".

Den Angaben zufolge hatten sich mehr als 10.000 Menschen, die meisten Hazara, in Kabul versammelt, als der IS zuschlug. Nach unbestätigten Berichten soll ein IS-Kommandant namens Abo Ali insgesamt drei Suizidattentäter aus Nangarhar entsandt haben, nur einem soll es jedoch gelungen sein, sich in die Luft zu sprengen. Augenzeugen berichteten von grausigen Szenen. Die Straße sei voller Leichen und Blut gewesen. Angeblich hatten Sicherheitsdienste die Organisatoren der Demo gewarnt, dass es zu Anschlägen kommen könnte.

(RP)
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