Ab 1. Januar gilt das neue Gesetz Mindestlohn macht Arbeitgebern zu schaffen

Berlin · Viele versuchen, die steigenden Stundenlöhne für ihre Beschäftigten zu kompensieren - etwa durch Streichung des Weihnachtsgeldes.

Für fast vier Millionen Beschäftigte bringt das neue Jahr höhere Stundenverdienste: Vom 1. Januar an gilt in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Für die Arbeitgeber - etwa in der Gastronomie, im Taxigewerbe oder in der Pflege - bedeutet der Mindestlohn einen so hohen Kostenzuwachs, dass nicht wenige versuchen, den Mindestlohn mit Tricks und Kniffen zu kompensieren. Ein probates legales Mittel für Arbeitgeber ist, freiwillige Zusatzleistungen wie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder andere geldwerte Vorteile zu streichen.

Doch die Bundesregierung hat jetzt klargestellt, dass sie in solchen Fällen über die bereits bestehenden gesetzlichen Regeln hinaus nicht mehr weiter schützend eingreifen will. "Der Mindestlohn zielt im Unterschied zum Tarifvertrag nicht darauf ab, einen umfassenden Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherzustellen", betont das Haus von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Fraktion, die unserer Zeitung vorliegt. Der Mindestlohn "kann und soll" nur verhindern, dass Beschäftigte "unangemessen" geringe Löhne erhielten. Davon abgesehen seien Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften "aufgerufen", über Tarifverträge für eine "angemessene Teilhabe" der Arbeitnehmer zu sorgen.

Anlass der Anfrage war das zunächst unschöne Beispiel der Systemgastronomie. McDonald's, Burger King, Starbucks und Co. hatten den Manteltarifvertrag für die über 100 000 Beschäftigten zum Jahresende gekündigt, weil die Konzerne wegen der Einführung des Mindestlohns das Weihnachts- oder Urlaubsgeld oder sonstige Zuschläge nicht mehr garantieren wollten. Mitte Dezember gab es allerdings Entwarnung: Nach Warnstreiks und einem in der Branche bislang ungekannten Schlichtungsverfahren einigten sich Arbeitgeber und die Gewerkschaft NGG auf einen neuen Tarifvertrag.

Die untersten Löhne liegen nun ab Januar mit 8,51 Euro pro Stunde haarscharf über dem Mindestlohn - und Weihnachts- und Urlaubsgeld bleiben auch erhalten. Bislang erhalten die am schlechtesten Bezahlten in der Systemgastronomie im Westen 7,71 Euro, im Osten nur 7,06 Euro pro Stunde. Stolz präsentierten sich die Unternehmen am Wochenende in großen Tageszeitungsanzeigen als gute Arbeitgeber. "Der Mindestlohn ist gerade in dieser Branche bitter nötig", sagte Linken-Politikerin Jutta Krellmann.

Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind sogenannte Einmalleistungen, über die sich die Tarifparteien unabhängig vom Mindestlohngesetz einigen müssen. Wer nicht nach Tarifvertrag bezahlt wird - etwa weil der Arbeitgeber nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist - für den gelten ohnehin nur individuell ausgehandelte Leistungen. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld können also gestrichen werden, wenn der Arbeitgeber Kosten sparen will. Schicht- und Akkordzulagen dagegen nicht, das verbieten die Gesetze.

Auch der öffentliche Sektor ist vor dem Versuch der Mindestlohn-Umgehung nicht gefeit. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, hat die gesetzlichen Krankenkassen davor gewarnt, den Mindestlohn für private Haushaltshilfen zu unterlaufen, die Patienten benötigen, wenn sie nach einem Klinikaufenthalt noch nicht in der Lage sind, zuhause allein zurecht zu kommen. Bisher zahlen die Ersatzkassen für die Haushaltshilfen einen Stundensatz von deutlich unter 8,50 Euro, die Techniker Krankenkasse zum Beispiel nur 5,25 Euro, berichtete das "Handelsblatt".

Damit der Mindestlohn auch bei den sieben Millionen Mini-Jobbern eingehalten wird, ist die Regierung vergangene Woche doch noch einmal aktiv geworden: Sie verabschiedete eine Verordnung, die gewerbliche Arbeitgeber von Mini-Jobbern und Beschäftigten in neun Branchen, in denen Schwarzarbeit häufig vorkommt, zu umfangreichen Dokumentationen verpflichtet: Ab Januar müssen sie über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter genau Buch führen.

(mar)
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