New York Ministerin muss Amerikanern Deutschlands neue Rolle erklären

New York · Ursula von der Leyen ist zu einem viertägigen Antrittsbesuch in den USA eingetroffen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte ihren viertägigen Antrittsbesuch in den Vereinigten Staaten extra ein paar Stunden nach vorne verschoben. Sie und ihre Delegation wollten nicht über den Atlantik fliegen, während der Rest der Welt das Spiel Deutschland gegen Portugal verfolgt. Und so traf die 55-Jährige pünktlich in New York ein, um im Deutschen Haus in New York das Spiel der Nationalelf anzuschauen.

Die Reise nach New York und Washington ist für von der Leyen eine wichtige Gelegenheit, ihren Einfluss auf internationalem Parkett auszuloten. Sie wird am Donnerstag mit ihrem amerikanischen Amtskollegen Chuck Hagel zusammentreffen, mit dem sie nach zwei Zusammenkünften bereits einen sehr kollegialen Umgangston pflegt. Die Rolle der Nato und Europas in der Ukraine-Krise sowie die sich zuspitzende Lage im Irak werden sich voraussichtlich als roter Faden durch ihre Gespräche ziehen. Hagel steht wegen des Vordringens der Islamisten im Irak unter Druck. Obwohl sich die Amerikaner heraushalten und die Iraker ihre Konflikte selbst lösen lassen wollen, haben sie am vergangenen Wochenende schon einen Träger mit Kampfflugzeugen in die Golfregion verlegen lassen.

Die neue Lage im Irak, wo es eben nicht gelungen ist, dass eine Regierung sich selbst gegen Islamisten verteidigt und verschiedene religiöse Gruppen integriert, könnte auch Afghanistan noch einmal zum Thema werden lassen. Dort stellt sich die Frage, ob das Land bis 2016 so stabilisiert ist, dass eine ähnliche Lage wie im Irak nicht mehr entstehen kann. Die Amerikaner planen eigentlich bis Ende 2016 ihre Truppen abzuziehen. Eine endgültige Entscheidung in der Nato gibt es dazu noch nicht.

Die deutsche Verteidigungsministerin wird sich zudem mit der Sicherheitsberaterin der amerikanischen Regierung Susan Rice treffen, die mit der früheren Sicherheitsberaterin der Bush-Regierung Condolezza Rice nicht verwandt ist. Susan Rice wurde vielmehr von der früheren US-Außenministerin Madeleine Albright gefördert. Bei den UN wird von der Leyen heute mit deren stellvertretendem Generalsekretär, dem früheren schwedischen Außenminister Jan Eliasson, zusammentreffen und mit ihm voraussichtlich auch über die Rolle und die Verantwortung der Deutschen in der Welt sprechen. Erst am Wochenende hatte Bundespräsident Joachim Gauck für Wirbel gesorgt, weil er in einem Radio-Interview grundsätzlich geäußert hatte, dass bei der Abwehr von Aggressionen der Einsatz militärischer Mittel nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne. Damit war der Bundespräsident seiner Linie treu geblieben, ähnlich hatte er es zuvor bei der Münchner Sicherheitskonferenz in diesem Jahr formuliert. Damit manifestierte er zugleich die neue deutsche außen- und verteidigungspolitische Linie, perspektivisch mehr Verantwortung bei Konflikten weltweit zu übernehmen.

Auch nach diesem Kurswechsel der Deutschen und nach den Konsequenzen, die das für das Engagement der Bundeswehr haben kann, dürfte die Ministerin von ihren Gesprächspartnern gefragt werden, zu denen der früher US-Außenminister Henry Kissinger und der Historiker Fritz Stern gehören.

In Deutschland sah sich die Ministerin zuletzt viel Kritik ausgesetzt. Ihre schnellen und harten Personalentscheidungen in der Spitze ihres Hauses verstörten viele Altgedienten. Mit ihrer als "Windel-Offensive" verspotteten Initiative für eine bessere Vereinbarkeit von Truppe und Familie stößt sie auf viel Skepsis. Warum kümmert sich diese Ministerin um Krippen für Soldaten-Kinder und Flachbildschirme in den Stuben, statt über die Rolle der Nato in Zeiten der Ukraine-Krise zu sprechen? Der alte General Harald Kujat warf der neuen Ressortleiterin und ihren Leuten zuletzt vor, da seien "Laien am Werk". Die Reise ist für von der Leyen also auch eine Gelegenheit, ihren Kritikern im eigenen Land zu zeigen, dass sie auch ihre Verantwortung als internationale Verteidigungspolitikerin wahrnimmt.

Der Kulturkampf tobt insbesondere in ihrem eigenen Ministerium. Der bisherige Rüstungsstaatssekretär und sein Abteilungsleiter mussten gehen. Den Posten der Staatssekretärin übernimmt die in Militärfragen bislang unerfahrene Managerin der Unternehmensberatung McKinsey, Katrin Suder. Allein dies symbolisiert diese Auseinandersetzung zwischen alter Militärwelt und neuer Aufstellung.

(qua)
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