Persönlich Miranda July . . . will die Welt romantisieren

Diese Künstlerin hat ein Herz für die Schüchternen und Beklommenen, und deshalb erfand sie eine App, mit der auch diejenigen "Ich liebe dich" sagen können, die sich eigentlich gar nicht trauen. "Somebody" heißt der Mitteilungsservice von Miranda July, den man nun auch in App-Stores hierzulande bekommt. Man schreibt eine Nachricht, sendet sie dann aber nicht an die Person, für die sie bestimmt ist. Man schickt sie an jemanden, der die App auch hat und sich in der Nähe des Adressaten aufhält. Der überbringt sie dann im Namen des Absenders, und er wird per Voreinstellung instruiert, ob er beim Vorlesen singen soll oder weinen oder mit bayerischem Akzent sprechen.

Die 41 Jahre alte Miranda July ist Spezialistin für verspielten Tiefsinn. Die Kalifornierin hat das Krause zu ihrer Kunstsparte gemacht, und sie inszeniert es mit einer unwiderstehlichen Mischung aus selbstgewisser Überlegenheit und mädchenhafter Zerbrechlichkeit. Ihr Kinofilm "Ich und du und alle, die wir kennen" setzt das zeitgenössische Beziehungsleben ins Bild. Es besteht im Kern aus Ratlosigkeit, und am besten sind ihre Figuren, wenn sie einfach dastehen. Man muss Julys unter dem Titel "Zehn Wahrheiten" gesammelte Kurzgeschichten lesen und ihren Roman "The First Bad Man". Man weiß dann, wie es zugeht in der Welt des melancholischen Narzissmus.

Die "Somebody"-App ist eher augenzwinkernde Performance als ernst gemeintes Kommunikationsmedium. Sie fügt sich in Julys Konzept von Kunst: interaktiv, empathisch, menschenfreundlich. In einer Reihe von Kurzfilmen illustriert sie den Gebrauch der App. Da sitzt eine einsame Frau im Lokal, und plötzlich tritt eine Kellnerin vor sie und liest in einem Akt windschiefer Galanterie eine Nachricht vor: "Willst du mich heiraten?" Solche bizarren und rührenden Szenen können nun jederzeit und überall passieren. Das ist das Wunderbare an "Somebody".

(RP)
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