Düsseldorf/Barcelona Mit Germanwings nach Barcelona am Tag danach

Düsseldorf/Barcelona · Der Flug läuft reibungslos - aber normal ist nichts: Die Anspannung ist stets spürbar auf dem Weg von Düsseldorf nach Spanien.

Alles an diesem Tag ist anders. Es beginnt mit dem leisen "Oh" des Taxifahrers, als er hört, dass sein Gast an diesem Morgen nach Barcelona fliegt - mit Germanwings. Es ist ein anderer Flug, ein anderer Tag, natürlich, und trotzdem sagt er "Oh".

Auf der Anzeigetafel im Terminal ist Flug 4U 9524 nicht mehr aufgeführt. Annulliert, sagt die Mitarbeiterin am Schalter. Was aber heute nur heißt: Der Flug hat eine andere Nummer bekommen, 4U 9440. Ein Sprecher von Germanwings sagt, in solchen Fällen sei es üblich, eine andere Flugnummer zu vergeben. Die Maschine sei dieselbe wie geplant. Der Rückflug sei ebenfalls umbenannt worden - in 4U 9441.

Der Sicherheitscheck ist wie gewohnt: Menschen, die vergessen haben, ihre Gürtel abzulegen. Geschäftsmänner, die Laptops und iPads aufs Band legen. Und doch fällt etwas auf: Keiner redet. Die Maschine ist voll. Von Passagieren, die ihre Reise nicht angetreten haben, ist zunächst nichts zu spüren. Und die Mannschaften? Auch an diesem Tag treten einige Mitarbeiter aus persönlichen Gründen ihren Dienst nicht an. Germanwings bittet daher bei Lufthansa und Air Berlin um Hilfe. Auch Maschinen anderer Fluggesellschaften fliegen nun im Namen von Germanwings.

Der Steward empfängt die Passagiere freundlich am Einstieg. Er sieht müde aus und blinzelt ständig. Doch er lächelt viel. Kurz vor dem Start ist die Kabine gespenstisch ruhig. Ein Ehepaar begegnet dem Unglück mit Galgenhumor und flüstert etwas von niedrigen Wahrscheinlichkeiten dieses Mal. Ein Vater erklärt seinen beiden Töchtern technische Details von Flugzeugen.

Als die Sicherheitsanweisungen vorgeführt werden, ändert sich etwas. Niemand schaut absichtlich nicht hin, wie es sonst bei nahezu jedem Flug ist. Die ganze Kabine starrt auf die Stewardess, die ihre Aufgabe schnell und ohne größere Anstrengungen erledigt. Auch als sich der Kapitän meldet, bleiben die Passagiere aufmerksam. Er entschuldigt sich für die Verspätung, bittet aber wegen der "derzeitigen Umstände" um Verständnis. Danach sagt er: "Ich darf Sie dennoch an Bord unseres Airbus A 319 begrüßen." Er betont die Typ-Nummer der Maschine. Die Bezeichnung "A 319" wandert durch die Kabine. Kein A 320 wie die Unglücksmaschine am Tag zuvor. Auch wenn beide Modelle zur A 320-Familie von Airbus gehören, scheint es auf die Passagiere beruhigend zu wirken. Der Flug als solcher ist mustergültig - kein Wackeln, keine Turbulenzen.

In Barcelona regnet es; die Wolken hängen tief über der Stadt. Schon kurz hinter dem Ausgang belagern zahlreiche Kamerateams die Schalter. Spanier, Deutsche, Engländer, auch ein dänisches Team ist vor Ort. In den Gesichtern der Passagiere ist wenig zu lesen. Viele werden schon beim Verlassen der Terminals von Reportern abgefangen; reden wollen die meisten aber nicht. Sie gehen einfach weiter, bis das nächste Team auf sie zurennt.

Ausnahmezustand herrscht gegen Mittag auch immer noch am Düsseldorfer Flughafen. Als um kurz nach zwölf Uhr die ersten Fluggäste durch die Glastüren am Ausgang 1A treten, schauen sie überrascht. Ein Dutzend Kamerateams, Reporter von Funk und Fernsehen erwarten sie, die Passagiere, die gerade aus der Germanwings-Maschine gestiegen sind. Der Airbus aus Barcelona mit der geänderten Flugnummer 4U 9441 ist sicher und ein paar Minuten zu früh im Rheinland gelandet. Ein paar Menschen fallen sich in die Arme.

Mario Rufaste ist spanischer Student und besucht eine Freundin in Düsseldorf, die für ein Auslandssemester hier ist. "Im Flugzeug hat niemand etwas über den Absturz gesagt, keiner hat darüber geredet", erzählt der 24-Jährige, der am Tag nach dem Absturz die Unglücksstrecke zur gleichen Zeit geflogen ist. "Ich habe nicht darüber nachgedacht, den Flug zu canceln", sagt Rufaste. Der Flug sei ruhig gewesen, angenehm sogar. Zu etwa 60 Prozent sei die Maschine ausgelastet gewesen.

Den Gedanken, was passiert wäre, wenn er nur einen Tag früher geflogen wäre, den lässt Rufaste nicht zu. Er lächelt bescheiden und geht fort. Seine Freundin hat schon auf ihn gewartet.

(RP)
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