Düsseldorf Mit iranischen Wurzeln nach Israel

Düsseldorf · Der Deutsch-Iraner Sam Dianati hat ein Jahr lang in Israel gelebt, wo viele Politiker die Heimat seines Vaters als größte Bedrohung sehen.

 Halb-Iraner Sam Dianati hat Freiwilligendienst in Israel geleistet.

Halb-Iraner Sam Dianati hat Freiwilligendienst in Israel geleistet.

Foto: Anne Orthen

Ein karger Raum irgendwo im Ben-Gurion-Flughafen von Tel Aviv. Als die Sicherheitsleute Sam Dianati in dieses Zimmer führen, ahnt er nicht, dass er dort fast vier Stunden ausharren muss. Ohne seinen Pass und ohne Angabe von Gründen. Dass der junge Düsseldorfer ein Schreiben des israelischen Außenministeriums mit sich führt, das ihm schnelle und unproblematische Einreise gestattet, interessiert die israelische Grenzschutzbeamtin nicht. Auf das Warten folgt das Verhör. Eine Stunde lang wird der damals 19-Jährige befragt: Ob er Telefonnummern seiner Familie im Iran habe? Nein. Sicher? Schau doch noch mal in deinem Handy nach! "Das war, als wäre ich Verdächtiger in einer Straftat", erinnert sich der heute 22-Jährige.

Dabei will er dem Staat Israel helfen: Als Freiwilliger in einem Krankenhaus, organisiert vom Deutschen Roten Kreuz. "Ich wäre ziemlich auf die Nase gefallen, hätte die Einreise nicht geklappt", sagt der Student heute, drei Jahre später. Das Auswärtige Amt weist auf das Prozedere hin: "Sollten im Reisepass Visa arabischer Staaten oder des Iran vorhanden sein, so ist bei der Einreise mit einer Sicherheitsbefragung durch israelische Sicherheitskräfte zu rechnen. Dies gilt ebenfalls für deutsche Staatsangehörige mit auch nur vermuteter arabischer oder iranischer Abstammung."

Und Dianatis Abstammung ist nicht nur vermutet iranisch, sondern durch den Pass seines Vaters belegt. Der junge Mann studiert seither Jura in Düsseldorf und Paris. Er war sich des Konfliktpotenzials einer Reise nach Israel durchaus bewusst. Seine Entscheidung, dort ein Jahr als Freiwilliger zu verbringen, war aber reiflich überlegt: "Ich habe gedacht: Wie soll ich über etwas urteilen, das ich nicht kenne?", sagt er. "Für mich war das ein Ansporn, gerade weil es Israel ist. Ich wusste nicht viel über das Land, aber über den Konflikt."

Die Entscheidung war aber auch eine emotionale: Schon in seiner Schulzeit beschäftigte sich der Düsseldorfer intensiv mit dem Holocaust. "In Israel habe ich Überlebende getroffen, die ihre KZ-Nummer auf dem Arm tätowiert hatten, und ich war dreimal in der Gedenkstätte. Das hat mich sehr bewegt."

Zurück zum Flughafen: Als die Befragung vorbei ist und Dianati endlich einreisen darf, beginnen seine Zweifel. Dass er als halber Iraner in Israel auf Ablehnung stoßen könnte, war ihm von Anfang an klar. Dass er einen Krieg miterleben würde, eher nicht. Auch wenn die Geschosse der Hamas nicht bis nach Haifa kommen, ist der Gaza-Krieg im Sommer 2014 bis dort zu spüren. In seinem Bekanntenkreis gibt es Betroffene: "Wir saßen in einem Café, und ein Bekannter hat mir gesagt, dass der Sohn seines Chefs als Soldat in Gaza gestorben sei", erzählt er. "Es wirkte nicht gefährlich, aber das war es."

Trotzdem hat Dianati nie daran gedacht, nach Hause zurückzukehren, obwohl seine Eltern ihn darum baten. "Nein", hat er ihnen gesagt, "ich komme nicht, denn ich liege hier am Strand und fühle mich sicher, weil ich im Norden bin." Nur einmal, als in Haifa für zehn Sekunden Luftalarm herrscht, bekommt er Panik: "In diesen zehn Sekunden hatte ich wirklich einen Schock und dachte: Wo ist der nächste Bunker? Wir haben uns darum nie gekümmert, weil wir dachten, dass uns nichts passieren würde, weil Haifa viel zu weit weg ist." Danach aber geht das Leben normal weiter. Jeden Tag geht er zur Arbeit, trifft sich mit Freunden. "Ich habe mich in Israel immer sicher gefühlt", sagt er.

Dianati ist kein religiöser Mensch. Er glaubt an einen Gott, "aber so, wie ich das will". Vor allem aber glaubt er an Taten. Taten wie der Freiwilligen-Dienst in einem Krankenhaus in Haifa. Die Stadt mit knapp 300.000 Einwohnern ist, so sagt man in Israel, ein Mosaik des friedlichen Zusammenlebens. Wenn Dianati von seiner Krankenhausstation erzählt, gerät er ins Schwärmen über die Vielfalt: "Wir hatten da russische Juden, deutsche Juden, Juden, die seit Staatsgründung da waren, marokkanische Juden, Palästinenser, christliche Araber, Drusen, äthiopische Jüdinnen."

Dort sieht er das Israel, das sich der Student für das ganze Land wünscht. Er weiß aber auch, dass Haifa eine Ausnahme ist. Viele schöne Momente habe er in der Stadt erlebt, ein Ereignis aber lässt ihn nicht los: Er hat einen alten Juden europäischer Abstammung gefragt, woher er komme. Der Mann antwortete: "Ich bin hier geboren." Da der Herr offensichtlich älter war als der 1948 gegründete Staat Israel, fügte er an: "Ich bin Palästinenser."

Der Nahostkonflikt, meint der Student, sei ein politischer Streit. "Als ich in Israel war, waren die Leute immer offen zu mir. Nur die Politiker sind nicht offen."

(RP)
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