Wien Österreich will Flüchtlinge internieren

Wien · Nach der Balkanroute will Österreich nun auch die Fluchtwege über das Mittelmeer dichtmachen. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnt hingegen die EU vor weiterer Abschottung.

Mittelmeer: Österreich will Flüchtlinge internieren
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Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hat gefordert, Bootsflüchtlinge abzufangen, sofort zurückzuschicken oder auf Inseln wie Lesbos zu internieren. Ziel sei mehr Abschreckung. Hunderttausenden in Nordafrika wartenden Migranten müsse klar gemacht werden, dass "die Rettung aus Seenot nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist", sagte der ÖVP-Politiker der "Presse".

Mittelmeer: Österreich will Flüchtlinge internieren
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Kurz schlug vor, die EU sollte sich "Teile des australischen Modells" zum Vorbild nehmen. Dort kämen keine illegalen Migranten mehr an, und es ertrinke auch niemand mehr. "Warum? Die australische Marine startete eine Grenzschutzoperation, fing Flüchtlingsboote vor der Küste ab, brachte die Menschen zurück in ihre Ursprungsländer oder in Zentren nach Nauru und Papua-Neuguinea." Diese Praxis wird allerdings von Menschenrechtlern scharf kritisiert.

Die EU sollte nach den Worten von Kurz klar festlegen: Wer illegal versuche, nach Europa durchzukommen, soll seinen Anspruch auf Asyl verwirken. Asylanträge sollten besser vor Ort in UN-Zentren gestellt werden. Zugleich müsse Europa aber auch bedeutend mehr Vor-Ort-Hilfe in Krisenregionen leisten und mehr "der Ärmsten der Armen" freiwillig aufnehmen, so Kurz. Es gehe vorrangig um "Frauen, Verwundete, Kranke, Schwache, Schwangere".

Libyen, wo die meisten Flüchtlingsboote starten, machte am Wochenende klar, dass es keine Flüchtlinge aus Europa zurücknehmen will, wie Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch der "Welt am Sonntag" sagte. "Wir werden nicht akzeptieren, dass die EU Migranten zu uns zurückschickt", sagte der Chef der neuen Einheitsregierung. "Europa muss Wege finden, sie in ihre Heimatländer zurückzubringen. Sie können nicht bei uns leben." Über das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land kamen allein im vergangenen Jahr mehr als 150.000 Menschen nach Europa. Seit der Schließung der Balkan-Route ist die Zahl der Migranten stark gestiegen, die von Libyen aus oft mit schrottreifen Booten über das Mittelmeer nach Italien und in die EU gelangen wollen. In dem nordafrikanischen Land halten sich nach unterschiedlichen Angaben bis zu eine Million Flüchtlinge und Migranten auf.

Angesichts des starken Flüchtlingszustroms über das Mittelmeer warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die EU vor Abschottungstendenzen und mahnte zu mehr Solidarität in Europa. Wenn Österreich einfach den Grenzübergang am Brenner schließe, sei das politisch fatal. "Dann ist Europa zerstört", mahnte Merkel.

An der libyschen Küste sind bei der Stadt Suwara in den vergangenen Tagen die Leichen von 133 Migranten angespült worden. Etwa drei Viertel der Toten seien Frauen, sagte ein Sprecher der Hilfsorganisation Roter Halbmond. Auch mindestens fünf Kinderleichen seien entdeckt worden. Bei den Leichen seien keine Ausweise gefunden worden. Es handle sich aber hauptsächlich um Menschen aus Gebieten südlich der Sahara. In Sicherheitskreisen hieß es, die Migranten seien vermutlich von der nahe gelegenen Stadt Sabratha aus in See gestochen. In der vergangenen Woche waren Hunderte Menschen im Mittelmeer umgekommen, die ebenfalls von Sabratha aufgebrochen waren.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprach von einer "Horrorwoche", die viele Hundert Menschen das Leben gekostet habe. "Die Bilder dieses massenhaften Sterbens machen uns betroffen und sprachlos. Sie dürfen uns aber nicht abstumpfen lassen."

(RP)
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