22 Tote und viele Verletzte Bombe explodiert mitten in Bangkok

Bangkok · Die Wucht der Detonation lässt Gebäude erzittern. Menschen schreien. Plötzlich ist in der lebensfrohen Metropole nichts mehr, wie es war.

Eine verkohlte Masse Metall und Gummi - das ist alles, was von dem Moped noch übrig ist. Es liegt auf der Kreuzung Ratchaprasong mitten im Einkaufsviertel von Bangkok. Ein paar Meter weiter brennt es. Was genau da in Flammen aufgegangen ist, ist nicht zu erkennen. An der Ecke steht der berühmte Erawan-Schrein, dort huldigen normalerweise Tänzerinnen in prunkvollen Kostümen jede Stunde mehrmals dem Hindu-Gott Brahma. Jetzt ist in der Nähe ein Krater im Boden. Der Schrein selbst ist noch erleuchtet, aber direkt daneben liegen Leichen unter weißen Tüchern. Blutlachen sind zu sehen, Handtaschen, eine zerfetzte Jacke.

Eine Stunde nach der gewaltigen Explosion gegen 19 Uhr Ortszeit, die die Hochhäuser in der Nähe erschütterte, schlängelt sich der Verkehr an der belebten Kreuzung vorbei. Männer und Frauen von Rettungsdiensten kümmern sich um Verletzte. Das Blaulicht zahlreicher Krankenwagen erhellt die Kreuzung. Zwei Helfer knien auf dem Boden und versuchen, einen Mann mit Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben.

"Ich habe im Hyatt-Erawan-Hotel zu Abend gegessen, als eine riesige Explosion das Gebäude erschüttert hat", berichtet Eric Seldin, der in Bangkok arbeitet. "Als wir 15 Minuten später nach draußen durften, habe ich mehrere mit Tüchern bedeckte Körper gesehen." Die Verwüstungen sind groß: Die Ratchaprasong-Kreuzung war mit Glassplittern und Trümmerteilen übersät. Unzählige Krankenwagen luden teils mehrere Verletzte auf einmal ein. Verkäufer Khonnon Jathrukul eilt zum nächsten Krankenhaus, weil er einen Aufruf zum Blutspenden gehört hat. "Es ist doch meine Pflicht zu helfen", sagt er.

Der berühmte Erawan-Schrein, ist ein Magnet nicht nur für Touristen: Hier legen Thailänder den ganzen Tag über Blumen nieder und zünden Räucherstäbchen an.

Die Ratchaprasong-Straßenkreuzung war während der Krise 2010 Schauplatz politischer Demonstrationen. Damals hatten die Anhänger des von der Armee gestürzten Premierministers Thaksin Shinawatra gegen die Regierung protestiert. Die Kundgebungen wurden von der Armee blutig niedergeschlagen.

Auf einer hohen Brücke fährt über die Kreuzung der Skytrain, ein Nahverkehrszug, der die ganze Stadt durchquert. Fußgängerbrücken machen es möglich, das wuselige Treiben auf der Straße aus sicherer Entfernung zu betrachten. Normalerweise stehen dort Touristen, die die Tanzdarbietung am Schrein aus der Höhe betrachten. In dieser Schreckensnacht stehen dort Menschen und schießen Fotos mit ihren Handy-Kameras. Die Polizei räumt die Brücken schließlich - Bombenalarm. Von einem zweiten Sprengsatz ist die Rede, den die Polizei gefunden und rechtzeitig entschärft haben soll.

In der Millionenmetropole geht plötzlich die Angst um. Wer steckt dahinter? Wieso Sprengsätze an einem Schrein, der ein beliebtes Touristenziel ist? Niemand will spekulieren. Thailand ist ein friedfertiges buddhistisches Land. Die Unruheprovinzen im Süden, wo muslimische Separatisten um mehr Autonomie kämpfen, sind 1000 Kilometer weit weg. Sie haben ihren Kampf praktisch noch nie in die Hauptstadt getragen. Aber im Februar waren vor einem Einkaufszentrum in Bangkok zwei Sprengsätze explodiert und hatten zwei Menschen verletzt. Auf der Touristeninsel Ko Samui explodierte im April eine Autobombe. Niemand hat sich je zu den Anschlägen bekannt.

Politisch ist die thailändische Gesellschaft seit Jahren tief gespalten, stehen alteingesessene Eliten und wohlhabende Städter gegen Bauern aus der Provinz und arme Stadtbewohner. Es gab Massendemonstrationen in Bangkok, Blockaden, Einsätze mit Wasserwerfern gegen Demonstranten, und es gab auch Sprengsätze. Die waren aber immer auf Lager der politischen Gegner gerichtet. Der Anschlag mitten im pulsierenden Feierabend Bangkoks gibt Rätsel auf: Seit dem Putsch im Mai 2014 herrscht der Armee-Oberbefehlshaber Prayuth Chan-ocha über das Land.

Zuletzt wurde immer mehr Kritik am regierenden Militär laut, das Neuwahlen nicht vor 2017 abhalten und umstrittene Verfassungsänderungen umsetzen will. Will jemand das Militär provozieren? Das Land durch Anschläge auf den Tourismus destabilisieren? Antworten hat in dieser Schreckensnacht in Bangkok niemand.

Die Junta rief gestern Abend zur Ruhe auf. "Bringt keine Gerüchte in Umlauf, die Verwirrung im Land stiften könnten", mahnte ein Sprecher. "Wir versichern, dass die Behörden jetzt alles unter Kontrolle haben." Er widersprach Gerüchten, dass der Ausnahmezustand verhängt worden sei.

(dpa)
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