Paris Modernisierer vor historischer Kulisse

Paris · Der französische Präsident Emmanuel Macron hat seinen Reformkurs vor beiden Parlamentskammern erläutert.

Emmanuel Macron hatte die große Inszenierung gewählt. Anderthalb Stunden lang sprach der französische Präsident im Schloss von Versailles vor den beiden Kammern des Parlaments über die großen Linien seiner Politik. Und ausgerechnet an dem geschichtsträchtigen Ort kündigte der 39-Jährige die Veränderungen an, die aus Frankreich einen modernen Staat machen sollen: Verkleinerung der beiden Parlamentskammern, Einführung des Verhältniswahlrechts, Abschaffung des Sondergerichts für Regierungsmitglieder. Kein Wunder, dass der Staatschef wie im Wahlkampf das Wort "Revolution" in den Mund nahm.

Die ersten 30 Minuten seiner Rede erinnerten auch stark an seine Wahlkampfauftritte. Im Stil seiner Kampagne sprach Macron in lyrischen Worten vom Optimismus, den er wecken will. "Die Franzosen haben sich für ein Land entschieden, das wieder durchstartet, seinen Optimismus wiederfindet und seine Hoffnung", sagte er zu seiner Wahl. Die Reformmaßnahmen, die er dann präsentierte, hatte er bereits während des Wahlkampfs in Aussicht gestellt. Am stärksten will Macron das Parlament verändern: Die Zahl der Abgeordneten in Nationalversammlung und Senat soll um ein Drittel gekürzt werden. Eine Maßnahme, die 93 Prozent der Franzosen gutheißen.

Die zweite einschneidende Veränderung, die Macron plant, ist die "dosierte" Einführung des Verhältniswahlrechts. Das bisher geltende Mehrheitswahlrecht benachteiligt die kleinen Parteien. Als dritte Maßnahme kündigte er die Abschaffung des Gerichtshofes der Republik an, der ausschließlich über frühere Regierungsmitglieder Recht spricht. Die ersten Reformen sollen in einem Jahr umgesetzt sein. "Es soll keine Halbmaßnahmen und kosmetischen Veränderungen geben", kündigte der Präsident an. Notfalls werde er ein Referendum über den geplanten Umbau abhalten.

Macron stellte für den Herbst auch das Ende des Ausnahmezustands in Aussicht, der seit den Anschlägen von Paris im November 2015 gilt: "Ich werde den Franzosen ihre Freiheiten wiedergeben." Spontanen Applaus bekam der Präsident nur zweimal. Als Macron von den nötigen Sozialreformen sprach: "Es wird erst Erfolg geben, wenn die Armut nicht mehr ihren Platz hat." Und als er eine Reaktion des Humanismus auf den Terrorismus forderte: "Lasst uns den Dienst leisten, den das französische Volk von uns erwartet, treu unseren Versprechen des Anfangs, nämlich den Menschen ein würdiges Land zu geben."

"Inhaltsleer, schwülstig und ziemlich langweilig", kritisierte der konservative Abgeordnete Eric Ciotti die Ansprache beim Fernsehsender BFMTV. "Das war nicht konkret und enthielt nichts Neues." Ciottis Republikaner waren als größte Oppositionspartei zur Sitzung des Kongresses nach Versailles gekommen. Fern blieben die Mitglieder des "Aufmüpfigen Frankreichs", der Partei des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon. Sie protestierten damit gegen eine Entwertung der Nationalversammlung durch die Rede des Präsidenten einen Tag vor der Ansprache des Regierungschefs Edouard Philippe in der ersten Parlamentskammer. "Emmanuel Macron hat eine Grenze in der pharaonischen Dimension der Präsidialmonarchie überschritten", sagte Mélenchon, der sich für die Abschaffung des Präsidialsystems ausspricht. Macron machte allerdings die Aufgabenteilung zwischen ihm und seinem Premierminister klar: "Es ist die Aufgabe des Präsidenten, seiner Amtszeit Sinn zu geben; der Premierminister muss dafür sorgen, dass die Handlungen kohärent sind." Die Rede vor dem Kongress ist für den Präsidenten die einzige Möglichkeit, sich an die Abgeordneten zu wenden. "Meine Vorgänger wurden dafür kritisiert, dass sie keine Pädagogik betrieben haben. Deshalb will ich jetzt jedes Jahr kommen, um Rechenschaft vor euch abzulegen", kündigte er an. Für den 39-Jährigen war es der erste große Auftritt auf nationaler Bühne. Seit seinem Amtsantritt vor gut sechs Wochen hat er keiner französischen Zeitung ein Interview gegeben. Auch das traditionelle Fernsehinterview zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli hat der Staatschef zugunsten seines Auftritts in Versailles abgesagt.

(RP)
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