Moskau/Damaskus Moskau provoziert mit Waffen für Assad

Moskau/Damaskus · Moskau pocht auf sein Recht, die rechtmäßige syrische Regierung zu unterstützen. Vor allem aber geht es um Einfluss.

Der blutige Bürgerkrieg in Syrien gerät immer mehr zu einer Konfrontation zwischen Russland und dem Westen. Offenbar in einer Reaktion auf den vor wenigen Tagen gefassten Beschluss der EU, das Waffenembargo gegen Syrien heute auslaufen zu lassen, kündigte Russland die Lieferung von hochmodernen Kampfjets an das Assad-Regime an. Syrien werde "mehr als zehn" Flugzeuge vom Typ MiG-29 M erhalten, sagte MiG-Generaldirektor Sergej Korotkow. Mit dem Verkauf der Maschinen werde ein Vertrag erfüllt. "Eine syrische Delegation ist derzeit in Moskau und handelt die Details aus", so Korotkow.

In Moskau hatte man empört darauf reagiert, dass die EU ihr Syrien-Embargo nicht verlängert hat, dass freilich vor allem die Rebellen traf. Machthaber Baschar al Assad wird von Russland ebenso massiv mit Militärgütern beliefert wie von seinem regionalen Verbündeten Iran. Künftig ist es theoretisch möglich, dass einzelne EU-Staaten die syrische Opposition ihrerseits mit Waffen beliefern. Frühestens im August könnte es dazu kommen, entschieden ist aber noch nichts.

Trotzdem fiel die Reaktion in Moskau scharf aus. Kommende Woche wollen sich US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow treffen, um Details über die im Juni geplante Friedenskonferenz zu besprechen. "Solche Entscheidungen, solche Signale helfen nicht bei der konstruktiven Vorbereitung dieses wichtigen internationalen Ereignisses," sagte Juri Uschakow, Berater des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dass der Kreml seinerseits derzeit alles tut, um Assad auf dem Schlachtfeld einen Vorteil zu verschaffen, ließ er unerwähnt.

So war schon zuvor bekannt geworden, dass Russland offenbar weiterhin plant, Damaskus mit dem hochmodernen Flugabwehrsystem S-300 zu beliefern. Unklarheit herrscht freilich darüber, ob Syrien aus Russland bereits erste Elemente der Raketenbatterien erhalten hat. Der libanesische Sender "Al-Manar", dem Assad kürzlich ein Interview gab, hatte es in einem Vorab-Trailer für die Sendung so dargestellt. Wie russische Medien gestern aber übereinstimmend betonten, wurde Assad dabei jedoch falsch zitiert. Im Original-Interview habe Syriens Präsident seinen russischen Verbündeten gelobt und dabei lediglich in allgemeinen Worten gesagt, Moskau halte alle abgeschlossenen Verträge über Waffenlieferungen ein. "Alle unsere Vereinbarungen mit Russland werden realisiert, manche von ihnen wurden in der vergangenen Zeit erfüllt, und gemeinsam mit Russland werden wir fortfahren, diese Verträge künftig zu erfüllen", so Assad.

Berichte darüber, dass Syrien bereits eine erste Lieferung der Flugabwehrraketen erhalten habe, wollte Putins Berater Uschakow weder bestätigen noch dementieren: "Ich will die konkreten Details nicht kommentieren." Ansonsten äußerte Uschakow sich ähnlich vage wie zuvor Assad: Russland habe vor längerer Zeit Verträge "nicht nur über die modernsten Waffen" abgeschlossen, und diese würden jetzt eben fristgerecht erfüllt. Darunter seien aber keine Rüstungsgüter, die unter ein internationales Embargo fielen, betonte der Putin-Berater.

Im Westen und besonders in Israel herrscht seither große Besorgnis, da das Luftabwehrsystem Flugzeuge und selbst Raketen in einem Umkreis von bis zu 200 Kilometern abschießen kann. Der jüdische Staat befürchtet, dass damit Teile seines Luftraums faktisch lahmgelegt werden könnten. Zudem würden die Raketen einen möglichen westlichen Einsatz etwa zur Durchsetzung eines Flugverbots über Syrien erheblich erschweren.

Entsprechend nervös wurde darüber spekuliert, ob und wann die S-300-Batterien in Assads Hände gelangen könnten. Die russische Tageszeitung "Kommersant" berichtete unter Berufung auf anonyme Quellen aus dem Verteidigungssektor, Syrien werde die erste Lieferung von sechs S-300-Einheiten erst im zweiten Quartal 2014 erhalten. Danach würde es noch ein halbes Jahr dauern, bis die syrischen Bedienmannschaften im Umgang mit dem Waffensystem ausreichend geschult seien. Die Nachrichtenagentur "Interfax" zitierte einen Insider mit den Worten, die Flugabwehrsysteme könnten "nicht früher als in diesem Herbst" geliefert werden. Es sei aber auch möglich, dass Russland seine Verpflichtungen aus dem 2010 geschlossenen Vertrag auf unbegrenzte Zeit verschiebe. So sei man seinerzeit mit den taktischen Raketen vom Typ "Iskander" verfahren. "Syrien wollte diese Raketen unbedingt haben, hätte jeden Preis bezahlt". Moskau habe aber auf die Lieferung verzichtet, um die Situation in der Region nicht zu destabilisieren.

Offensichtlich verwendet die russische Führung die angekündigte oder bereits durchgeführte Lieferung modernster Waffen an Assad auch als Druckmittel, um in dem Konflikt entscheidend mitreden zu können. Seit zwei Jahren hält die UN-Veto-Macht dem syrischen Regime unbeirrt die Stange. Nicht unbedingt aus Zuneigung zu Diktator Assad, aber zur Wahrung eigener Interessen. Vor allem geht es Moskau darum, im Ringen um globalen Einfluss einen Punktsieg gegenüber den USA zu landen. Nun verhandelt Washington neuerdings direkt mit Moskau über die Modalitäten einer möglichen Lösung für den Konflikt — da kann sich so mancher Kreml-Stratege bestätigt fühlen.

Seit der Rückkehr von Wladimir Putin in den Kreml forciert die russische Führung nach innen wie nach außen wieder das alte Feindbild. Russland gegen den Westen, vor allem: Russland gegen die USA. Der Syrien-Konflikt bietet eine ideale Plattform zur Umsetzung dieser Ideologie. Je trotziger Moskau an Assad festhält, umso mehr sieht es sich dadurch in seinen Großmacht-Ambitionen bestätigt.

Dieses Konfrontationsdenken gegenüber den Amerikanern, das an die Zeit des Kalten Kriegs gemahnt, spiegelt sich auch im Säbelrasseln der vergangenen Tage. So berichteten die russischen Staatsmedien genüsslich darüber, dass im Mittelmeer russische Kriegsschiffe kreuzen. Sie sollen angeblich nicht nur vor einem Angriff auf Syrien abschrecken, wo Russland in Tartus seinen einzigen Flottenstützpunkt im Mittelmeer unterhält, sondern den geplanten Waffenlieferungen an Assad auch militärischen Geleitschutz geben. Öffentlichkeitswirksam wurde auch eine militärische Großübung in Szene gesetzt, die an Sowjetzeiten erinnerte. Ausführlich wurden dabei die Assad versprochenen S-300-Systeme im Einsatz präsentiert. Stolz wurde erläutert, wie schnell diese Anlagen schussbereit gemacht werden können. Und nicht einmal einen Monat dauere es, die syrischen Spezialisten an den Batterien zu schulen, tönte der frühere Luftwaffenchef Anatoli Kornukow.

Die Führung in Moskau betont, dass nur die Regierung in Damaskus das Recht auf Waffenlieferungen habe — zur Landesverteidigung. Es ist eine klare Warnung: Westlich geführte Interventionen wie in den 1990er Jahren auf dem dem Balkan, später im Irak oder jüngst in Libyen darf es nicht mehr geben.

(RP/caf)
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