Alexandria Mursi schüchtert die Medien ein

Alexandria · In Ägypten häufen sich Verhaftungen und Verhöre von kritischen Journalisten.

Er hat sein Schicksal vorausgesehen. "Ich werde bedroht, muss abtauchen", lautete sein letzter Eintrag im Blog. Doch die Staatsmacht war schneller. Am Neujahrstag wurde der ägyptische Regierungskritiker Ahmed Meligy in Alexandria verhaftet. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Nur wenige wissen davon. In den ägyptischen Medien steht nichts davon zu lesen.

Ola El Shafei wird derzeit von der Staatsanwaltschaft zu ihrem Artikel in der Zeitschrift "Youm El Sabae" befragt, deren Chefredakteurin die junge Frau ist. Auch die viel beachtete Oppositionszeitung "Al Masry Al Yom" bekam den Groll von Präsident Mohammed Mursi zu spüren. Gegen einen ihrer Redakteure wird wegen Diffamierung des Staatschefs ermittelt. Das Büro der Deutschen Presse-Agentur in Kairo erhielt einen Anruf aus dem Präsidentenbüro, in dem eine Mursi-kritische Berichterstattung bemängelt wurde.

"Selbst wenn keines der eingeleiteten Verfahren zu einer Verurteilung führt, ist dies eine Einschüchterung der Kritiker wie sie unter dem gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak üblich war", kommentiert Shahira Amin die Situation. Die mit Auszeichnungen überhäufte Journalistin und ehemalige stellvertretende Chefin des staatlichen Fernsehsender Nile TV war aus Protest gegen die einseitige Berichterstattung der staatlichen Medien über die Revolution 2011 zurückgetreten.

Nach dem Kampf gegen die Justiz scheint sich Mursi nun die Medien vorzunehmen. Entschlossen weitet er seine Macht nach allen Seiten aus und versucht, sie zu festigen. Seitdem die mit Mehrheit beschlossene Verfassung in Kraft getreten ist, hat der Präsident ein weiteres Instrument zur Hand, um missliebige Gegner auszuschalten.

Zwar garantiert das 236 Artikel umfassende Grundgesetz Meinungs- und Pressefreiheit, schränkt diese aber gleichzeitig mit dem Verbot der Verunglimpfung des Präsidenten (Artikel 31) ein. Dass dies nicht nur auf seine Person beschränkt bleibt, sondern auch für die Muslimbruderschaft gilt, aus deren Reihen Mursi stammt, zeigen die Verhaftungen der letzten Tage.

So war es auch ein den Muslimbrüdern nahestehender Anwalt, der den berühmten Fernsehsatiriker Bassem Youssef am Neujahrstag anzeigte, weil er Mursis "Würde als Staatschef" verletzt habe.

Der Stein des Anstoßes: Nachdem die von den Islamisten im Eilverfahren durchgedrückte Verfassung angenommen worden war, hatte sich Youssef in seiner Sendung über die Fernsehansprache des Präsidenten lustig gemacht, in der dieser seine Landsleute nach dem fragwürdigen Referendum zur Einheit und zur Toleranz aufgerufen hatte. Youssef hielt bei seinem Auftritt ein Kuschelkissen in der Hand, das mit Mursis Gesicht bedruckt war. Der einzige Mensch, so Youssef, der von dem Aufruf beeindruckt gewesen sei, "ist Mursis einjährige Tochter Nadia". Deshalb sollte der Präsident das Kissen für Nadia signieren.

(RP)
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