London Muslim gegen Millionär in London

London · Der Kampf ums Bürgermeisteramt der britischen Hauptstadt könnte nicht konträrer sein und verspricht Spannung. Der Labour-Politiker Sadiq Khan erhält den Querdenker Zac Goldsmith als Gegner, entschieden jetzt die Konservativen.

Der Kampf ums Bürgermeisteramt von London verspricht spannend zu werden. Die Konservative Partei hat am Wochenende einen ihrer schillerndsten Politiker ins Rennen geschickt: Zac Goldsmith. Der Sohn des Milliardärs Sir James Goldsmith ist ein Querdenker, Umweltaktivist und strammer Euroskeptiker. Der 40-Jährige soll Nachfolger von Boris Johnson werden, der nach zwei Amstzeiten im Mai nächsten Jahres aufhört. Goldsmith tritt gegen den Labour-Politiker Sadiq Khan an, der 2009 der erste muslimische Kabinettsminister wurde. Das Duell könnte nicht konträrer sein: links gegen rechts, benachteiligt gegen privilegiert, Muslim gegen Millionär.

Goldsmith hatte die innerparteiliche Vorauswahl deutlich mit über 70 Prozent für sich entschieden. Kunststück: Er war unter den vier Kandidaten der einzige, der einigermaßen bekannt war. Der jungenhaft wirkende Politiker mit dem Aussehen eines Filmstars fasziniert die Öffentlichkeit seit langem. Er ist ganz und gar ein Vertreter der "Upper Class": Mitglied der steinreichen Goldsmith-Familie, eingeheiratet in eine weitere steinreiche Familie - in zweiter Ehe mit Alice Rothschild - sowie ehemaliger Schüler des Nobelinternats Eton, das auch Premierminister David Cameron und der jetzige Londoner Bürgermeister Boris Johnson besuchten.

Sein persönliches Vermögen wird auf rund 75 Millionen Pfund (etwas mehr als 101 Millionen Euro) geschätzt. Zugleich ist Goldsmith ein Rebell. In Eton flog er, weil er Haschisch geraucht hatte. Als Abgeordneter der Konservativen fiel er auf, weil er regelmäßig gegen die Parteilinie votierte. Er tritt für direkte Demokratie, radikalen Umweltschutz und Distanz zur Europäischen Union ein. In einem Internet-Ranking der sexiesten britischen Abgeordneten steht er auf Listenplatz sechs.

Verglichen damit ist Sadiq Khan, obwohl auch gutaussehend, weit weniger glamourös. Der 44-Jährige ist der Sohn eines aus Pakistan eingewanderten Busfahrers und einer Näherin. Aufgewachsen in einer Sozialwohnung in Süd-London, wo er sein Schlafzimmer mit zwei Brüdern teilte, hat sich Khan durch ein Jurastudium nach oben gearbeitet und ist ganz und gar ein Selfmademan. Nachdem er zuerst als Menschenrechtsaktivist gearbeitet hatte, wurde er 2005 Unterhausabgeordneter und diente in der letzten Labour-Regierung als Transport-Minister. Als gewiefter Politiker erwies er sich bei der letzten Unterhauswahl. Khan organisierte den Wahlkampf in London, wo Labour, ganz im Gegensatz zum nationalen Trend, sieben Wahlkreise hinzugewann. Auf der Webseite der sexiesten Abgeordneten dagegen bringt er es nur auf Platz 371.

London ist traditionell eine Labour-Stadt, und auch die Buchmacher sehen Khan als nächsten Bürgermeister leicht vorn. Aber der Konservative Boris Johnson hatte immerhin schon zwei Mal demonstriert, dass auch in einer linken Metropole ein Tory gewinnen kann. Johnson brachte das Kunststück fertig, weil er einerseits zwar eindeutig Oberklasse ist - reiche Familie, erzogen in Eton und Oxford sowie bestens vernetzt -, andererseits aber auch als Parteirebell und Exzentriker gilt, der seinen eigenen Kopf hat.

Mit Goldsmith setzten die Konservativen auf eine ähnliche Karte. Der Millionär tritt betont unkonservativ auf mit politischen Positionen wie Opposition gegen den Ausbau des Flughafens Heathrow oder dem Kampf gegen die Wohnungsnot. Sein Reichtum muss nicht unbedingt gegen ihn sprechen, kann er doch seinen Wählern versprechen: "Ich kann nicht gekauft werden, ich habe das nicht nötig." Den Londonern mag diese Mischung von Glamour und politischer Unabhängigkeit durchaus attraktiv erscheinen.

(RP)
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