Mit Verlaub! Nehmt großrussische Faschisten ernst!

In Russland macht sich ein neonationalistischer, postsowjetischer Hass auf den Westen breit. Es gibt geistig-politische Feuerteufel, die man in der Freien Welt ernst nehmen und nicht als Spinner abtun sollte.

Am vergangenen Samstag wurde im Politikteil unserer Zeitung der russische Philosoph Alexander Dugin ("Russlands neuer Rasputin") mitsamt dem Kern seiner abstoßenden politischen Gedanken vorgestellt. Erschreckenderes war aus Putins Reich seit Langem nicht zu lesen. Die Frage drängt sich auf: Schreckt solch eine messianische Figur wie Professor Dugin den Westen auf, also die Freie Welt, die Dugin und seine glühenden nationalistischen Jünger hassen wie die Pest? In Russland wächst offenbar ein postsowjetischer, intellektueller Faschismus heran, dessen charismatischer Führer Dugin ein russisch dominiertes, eurasisches Großreich mit Lebensraum im Westen erträumt und propagiert.

Viele werden abwinken und sagen: ein weiterer Spinner mehr auf der Welt. Zur Erinnerung: In der Geschichte wurde manchem geistig-politischen Feuerteufel anfangs die Narrenschelle umgehängt, bevor er dann wirklich sein Land und die angrenzende Welt in Brand setzte. Sie meinen, die Geschichte wiederhole sich nicht? Ich meine: Das mag so sein, wenn darunter die Wiederholung des Gleichen zu verstehen ist. Aber ähnelt die Geschichte nicht einer immerwährende Brandung, die aufs Festland rollt, das Unbefestigte dort mit sich reißt und zerstört? Wenn man die weltgeschichtlichen Ereignisse mit den Exzessen an religiösem Fanatismus, ideologisch verbrämten Schurkereien, völkerrechtswidrigen Invasionen und frechem Landraub betrachtet, muss man feststellen: Der berühmte Befund des US-Politologen Francis Fukuyama, nach dem 1989er Triumph des westlichen Liberalismus einschließlich seines demokratischen Mobiliars sei nun "das Ende der Geschichte" gekommen, war eine der törichten Vorhersagen des letzten Vierteljahrhunderts.

Es scheint sogar, dass die Dugins dieser Welt mehr werden; es gibt die faschistischen, anti-freiheitlichen, das Kollektiv verherrlichenden Wiedergänger im Osten und im Westen. Sie zielen auf das Friedens-und Freiheitsprojekt Europäische Union, weil sie es für eine verletzliche Festung halten. Gelänge es Neo-Nationalisten zwischen Moskau und Paris, die schon ihre Hitzköpfe zusammenstecken und in der russischen Duma und im französischen Parlament Raum gewinnen, die Reihen fest zu schließen, dann Gnade uns Gott. Viele Landsleute, die derzeit verwöhnt, gelangweilt, zornig auf EU, Brüssel, das Griechen-Drama schauen, müssten endlich begreifen, dass unser Heil im freien Europa liegt. Kann ein eurasischer Imperialismus à la Dugin ernsthaft darauf bauen, dass Menschen im Europäischen Haus ihre antiwestlichen Ressentiments pflegen und die wirklichen Gefahren ausblenden?

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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