Hannover Freispruch – neue Aufgaben für Wulff?

Hannover · Der Ex-Bundespräsident zeigt sich erleichtert. In der CDU wird eine Entschuldigung bei Wulff gefordert.

Christian Wulff Urteil: Pressestimmen zum Prozess
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Foto: dpa, jst soe

Nach dem Freispruch des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff von allen Korruptionsvorwürfen wird erwartet, dass der Politiker wieder eine stärkere Rolle auch in der Öffentlichkeit spielt. Wulff habe "im interkulturellen Dialog in Deutschland und weltweit wichtige Impulse gesetzt", sagte CDU-Vize Armin Laschet unserer Zeitung. Daher wünsche er sich, dass er "als ehemaliger Bundespräsident auf diesem Feld weiterwirkt".

Zwei Jahre nach dessen Rücktritt als Staatsoberhaupt hatte das Landgericht Hannover Wulff am Morgen vom Vorwurf der Vorteilsannahme im Amt freigesprochen. Die von der Staatsanwaltschaft entwickelte Kette von Indizien sei zwar in Teilen plausibel, es gebe letztlich dafür aber "keine schlagkräftigen Beweise", sagte Richter Frank Rosenow. Die Staatsanwaltschaft will prüfen, ob sie Revision einlegt.

"Ich finde, jetzt müsste man sich bei Christian Wulff entschuldigen", sagte CDU-Präsidiumsmitglied Herbert Reul. Er hoffe, dass dieser auch beruflich einen neuen Weg finde. Kenan Kolat, der Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland, erinnerte daran, dass Wulff in seiner politischen Karriere Migration, Partizipation und Teilhabe immer zum Thema gemacht habe. Deshalb sei es gut, wenn Wulff in der Öffentlichkeit sichtbar wäre.

Nach Medienberichten könnte Wulff auch wieder als Anwalt tätig werden und zum Beispiel seine guten Kontakte in die arabische Welt und in die Türkei für eine Wirtschaftssozietät nutzen. Er selbst kümmerte sich nach dem Freispruch erst einmal um seine Kinder und freute sich darüber, dass diese nun einen "erleichterteren" Vater erleben könnten. Er habe nie einen Zweifel daran gehabt, dass sich vor dem Landgericht das Recht durchsetzen werde, sagte Wulff.

"Nicht überrascht" vom Freispruch zeigte sich Bernd Huck, der Generalsekretär des "Andenpaktes", dem Wulff mit einer ganzen Reihe prominenter CDU-Politiker angehört. Er freue sich sehr für Christian Wulff und sei sich sicher, dass alle Andenfreunde "ausnahmslos ebenso empfinden", sagte Huck.

Viele Politiker riefen dazu auf, Konsequenzen aus dem Freispruch zu ziehen. "Das sollte für manchen Journalisten und Staatsanwalt Anlass sein, darüber nachzudenken, ob er nicht doch einiges erheblich falsch gemacht hat", sagte Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach von einem "bitteren Geschmack": Obwohl Wulff rechtlich freigesprochen worden sei, habe er persönlich sehr viel verloren. "Ein politisches Comeback gibt es für einen ehemaligen Bundespräsidenten nicht und Schadenersatz für den Verlust von Amt, Ehre und Familie auch nicht", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Als Lehre müsse aus dem Fall Wulff gezogen werden, dass es "politische und rechtliche Vorverurteilungen in solch unangemessener Form weder von der Politik noch den Medien geben sollte", betonte die Liberale.

Für den CDU-Politiker Reul bietet der Freispruch die Chance für die Gesellschaft, "einmal offen und ernsthaft darüber zu reden, wie wir mit Menschen umgehen, die unter Verdacht stehen". Auch die Staatsanwaltschaft müsse sich bewusst werden, wie leichtfertig sie mit der Weitergabe von Informationen "ganze Lebenswege beschädigt".

(RP)
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