Paris Neue Chance für ein altes Paar

Paris · Mit der Wahl Emmanuel Macrons bekommen die deutsch-französischen Beziehungen neuen Schwung. Manche hoffen schon auf eine Neuauflage von "Merkozy" - zu Recht?

Mit einem Blitzschlag begann für François Hollande das deutsch-französische Verhältnis. Wegen eines Unwetters musste der neugewählte Präsident 2012 auf dem Weg zu seinem ersten Treffen mit Angela Merkel umkehren und ein anderes Flugzeug nehmen. Wenn Emmanuel Macron nächsten Montag nach Berlin fliegt - den Termin teilte die Bundesregierung gestern mit -, dürften die Vorzeichen weniger stürmisch sein. Der 39-Jährige wird mit offenen Armen empfangen werden, denn der bekennende Europäer ist Merkels Wunschbesetzung für den Elysée-Palast.

Mit dem früheren Wirtschaftsminister hofft die Bundesregierung auf einen Neuanfang in den Beziehungen, die in den vergangenen Jahren aus dem Gleichgewicht geraten waren. "Seit Langem spielen die beiden Länder nicht mehr in derselben Liga", analysiert Dominique Moïsi vom liberalen Thinktank Institut Montaigne in der Zeitung "Les Echos": "Doch Deutschland braucht ein starkes Frankreich, das das Vertrauen in sich selbst wiederfindet."

Genau das soll jetzt mit dem sozialliberalen Macron passieren. Der Wahlsieger gegen die Rechtsextremistin Marine Le Pen will den Arbeitsmarkt reformieren, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken und dabei auch noch die EU-Defizitkriterien einhalten. All das soll bewirken, dass Frankreich und Deutschland sich wieder auf Augenhöhe begegnen können. Wie wichtig ihm das deutsch-französische Verhältnis ist, hat der frühere Investmentbanker im Wahlkampf immer wieder betont. "Das war politisch mutig", sagt Eileen Keller vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg. Denn fast alle anderen Kandidaten, allen voran Le Pen und der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, machten Wahlkampf gegen Deutschland. Kein Wunder also, dass Macrons Sieg in Berlin allgemein euphorisch begrüßt wurde.

Die Erwartungen an den Hoffnungsträger sind so hoch, dass Macron sie enttäuschen muss. "Er wird ein anspruchsvoller Partner werden mit Vorschlägen, die nicht immer den deutschen Interessen entsprechen", warnt Keller. Denn der neue Präsident will nach gemachten Hausaufgaben auch Forderungen stellen. Mehr Investitionen und gemeinsame Anleihen der Euro-Länder, sogenannte Eurobonds, gehören dazu. Beides hatte Hollande vor fünf Jahren ebenfalls gefordert - und war damit am deutschen Widerstand gescheitert.

Im Gegensatz zu Macron hatte Hollande sein Verhältnis zu Merkel unter schlechten Vorzeichen begonnen. Die Kanzlerin hatte 2012 auf Amtsinhaber Nicolas Sarkozy gesetzt und Hollande gar nicht erst empfangen. Mit Sarkozy, der zur selben politischen Familie gehört wie sie, hatte die CDU-Politikerin jahrelang so eng zusammengearbeitet, dass daraus die Wortschöpfung "Merkozy" entstanden war. Hollande ging dagegen erst einmal auf Distanz zu Merkel, die er für ihre Sparpolitik kritisierte. Stattdessen suchte der Sozialist die Annäherung an die Südeuropäer, die sich jedoch als schwache Partner erwiesen. "Hollande hat zu sehr gezögert, bevor er die natürliche Rolle eines französischen Präsidenten gegenüber Deutschland einnahm. Er hat auf verschiedenen Klaviaturen gespielt, so dass im Verhältnis zu Berlin Misstrauen einkehrte", zitiert die Zeitung "Le Monde" den früheren EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy.

Als einziger großer Erfolg bleibt dem Duo Merkel-Hollande die Initiative zur Beilegung des Ukraine-Konflikts 2014. Ein mageres Ergebnis für zwei Länder, die in den vergangenen Jahrzehnten der Motor der EU waren. Diese Aufgabe sollen Deutschland und Frankreich nun mit Macron wieder erfüllen. "Wenn wir auf der Höhe sein wollen, müssen wir Europa neu gründen und vorangehen", forderte der neue Präsident in einer Videoansprache zum Europatag. Dazu hat er ehrgeizige Pläne wie eine Reform des Euro-Raums mit einem gemeinsamen Budget sowie einem Parlament und einem eigenen Finanzminister.

Ein umstrittenes Thema, das schon Hollande auf den Tisch brachte. Es wird sicher erörtert werden, wenn Macron Merkel am Montag seinen Antrittsbesuch abstattet. Ebenso wie die Kritik am deutschen Exportüberschuss, die der Kandidat von "En Marche" im Wahlkampf äußerte. Damit machte er klar, dass er auch als Präsident versuchen wird, Distanz zu Deutschland zu wahren. Wer in Berlin also schon von "Merkron" träumte, dürfte erst einmal enttäuscht werden.

(RP)
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