Berlin Neuer Giftgas-Einsatz in Syrien - Deutschland soll eingreifen

Berlin · CDU-Außenexperte Jürgen Hardt erwartet die Beteiligung Berlins an der Vernichtung weiterer Senfgasbestände.

Meldungen über einen neuerlichen Senfgas-Einsatz in Syrien haben zusätzliche Bestürzung über die Entwicklung des blutigen Bürgerkriegs ausgelöst. Eigentlich sollten alle Bestände bereits im vergangenen Jahr vernichtet worden sein. Doch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPWC) bestätigte jetzt, dass bei Kämpfen nördlich von Aleppo noch im August eindeutig Chemiewaffen eingesetzt wurden. Mindestens zwei Menschen seien Senfgas ausgesetzt gewesen, sehr wahrscheinlich sei ein Baby an den Folgen gestorben.

Offiziell wurde keine der vielen Kriegsparteien beschuldigt. Aus Diplomatenkreisen gab es indes Hinweise auf Gefechte zwischen Rebellen und der Terrororganisation Islamischer Staat. Das laufe auf zwei Verdachtsmomente hinaus: Entweder habe der IS nun selbst Giftgas hergestellt oder aber bislang geheim gebliebene Senfgasbestände der Regierung erobert. Aus dem Irak liegen Angaben kurdischer Behörden vor, wonach auch dort im August vom IS Senfgas-Granaten abgefeuert worden sein sollen.

Unions-Außenexperte Jürgen Hardt warnte vor diesem Hintergrund vor dem "grauenvollen Eskalationspotenzial des Konflikts". Er setzte sich für eine erneute Initiative zur Giftgas-Neutralisierung ein. "Bei der Vernichtung der restlichen Chemiewaffenbestände auf syrischem Boden sollte Deutschland wiederum aktiv mitwirken", sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. Zugleich setzte Hardt auf die Syrien-Friedensgespräche in Wien. Sie seien ein "erster Hoffnungsschimmer" und sollten möglichst schon in wenigen Tagen fortgesetzt werden.

Die Aussichten sind jedoch sehr gering, weil sich die Lage immer komplizierter darstellt. Mindestens zehn Konfliktparteien sind in unterschiedlichen Konstellationen an den Kämpfen beteiligt. Die syrische Armee hält wichtige Städte des Landes und wird vom Iran und der libanesischen Hisbollah massiv unterstützt. Die gemäßigten Rebellen der Freien Syrischen Armee sind stark im Süden, kämpfen gegen Staatschef Assad und den IS. Die radikal-islamischen Al-Scham-Milizen und die Al-Nusra-Front, ein Al-Kaida-Ableger, gehen gegen Regierung, Rebellen und IS vor. Die Kurden im Norden bekämpfen das Regime und den IS. Die USA unterstützen mit einer internationalen Allianz die Kurden, bombardieren den IS und wollen den Sturz des Regimes. Die Türkei steht an der Seite dieser Allianz, bekämpft aber die Kurden. Der IS feuert auf alle, die sich ihm entgegenstellen. Russland geht gegen den IS vor, nimmt auch die Rebellen ins Visier und kämpft an der Seite des Regimes. Nun stationiert Moskau sogar Flugabwehrraketen in Syrien. Somit gibt es eine weitere Komponente, die das Vorgehen der Allianz gegen den IS unterstützt, die Allianz jedoch zugleich bedroht.

(RP)
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