Den Haag Niederländisches Duell

Den Haag · Am 15. März wählt unser Nachbarland ein neues Parlament. Rechtspopulist Geert Wilders liegt in den Umfragen knapp vorn, verliert aber Stimmen. Der bereits abgeschriebene Ministerpräsident Mark Rutte wittert eine neue Chance.

 Geert Wilders (l.) mit Mark Rutte bei einem gemeinsamen TV-Auftritt für eine Jugendsendung im Jahr 2012. Wilders war selbst bis 2004 VVD-Parteimitglied gewesen.

Geert Wilders (l.) mit Mark Rutte bei einem gemeinsamen TV-Auftritt für eine Jugendsendung im Jahr 2012. Wilders war selbst bis 2004 VVD-Parteimitglied gewesen.

Foto: Robin Utrecht

Es sollte die erste große TV-Debatte vor der Wahl sein: Sonntag, 26. Februar. Die fünf Bewerber für das Premierministeramt mit den meisten Stimmen sollten sich den Fragen der Reporter von RTL stellen. Doch daraus wird nichts - weil die beiden wichtigsten Mitstreiter nicht kommen wollen: Geert Wilders und Premier Mark Rutte. Die offizielle Erklärung der beiden für die Absage vor zwei Wochen ging so: RTL habe im Vorfeld versprochen, es gebe maximal vier Kandidaten, die sich in der "Premiersdebat" behaupten sollten. Dass es nun fünf seien, sei entgegen der Vereinbarung.

Tatsächlich hatte RTL anfangs nur von vier Kandidaten gesprochen - ausgewählt auf Basis der gemittelten Umfragewerte. Doch das war zu jener Zeit schwerer als gedacht. Die Abstände zwischen den Christdemokraten (CDA), Grün-Links und den linksliberalen Demokraten (D66) waren so klein, dass sie zu vernachlässigen waren. Alle drei Parteien kamen auf rund zehn Prozent der Stimmen. Darum entschied der Sender, fünf Kandidaten einzuladen (D66 kam dazu). Was nur logisch erschien, war für Wilders und Rutte nicht hinnehmbar. Aber wohl nicht aus den genannten Gründen. Jesse Klaver, Grün-Links-Fraktionsvorsitzender, wirft Wilders und Rutte vor, die Konfrontation mit anderen Kandidaten hinauszuzögern. So könnten sie die Chance verkleinern, dass ein Kandidat aus dem linken Flügel Sympathie und damit Stimmen gewinnt.

Ganz abwegig ist das Gedankenspiel nicht. Die Volkspartei (VVD) inszeniert Mark Rutte mittlerweile als den Mann, der Wilders' Anhänger versteht, aber auf Dauer die bessere Variante ist, das Land zu führen. Zu der Taktik passt auch eine Anzeige der Partei in vielen Zeitungen Mitte Januar. Darauf war ein Mark Rutte zu sehen, dessen Kopf sich an einen Brief schmiegte, den der Premier "An alle Niederländer" adressiert hatte. Kernbotschaft des Schreibens: Benehmt euch oder geht. Rutte rechnete mit denjenigen ab, die sich nicht anpassen wollen und stets glauben, Vorrang zu haben. Es klang überhaupt nicht nach Rutte, sondern nach Wilders.

Den Kampf um das Premierministeramt wollen die beiden unter sich ausmachen. Für Wilders ist dies sowieso erklärtes Ziel. Ein Duell gegen seinen einstigen Parteifreund. Alle anderen ignoriert Wilders. Doch so siegessicher er auch ist, es wird wohl anders kommen.

Einer Untersuchung der Universität Amsterdam in Kooperation mit der Zeitung "Volkskrant" zufolge erwägt ein nicht unerheblicher Teil der anderen Parteianhänger, doch VVD zu wählen, damit Wilders mit seiner Freiheitspartei (PVV) nicht stärkste Kraft wird. Demnach sind 22 Prozent der D66-Anhänger bereit, für die VVD von Mark Rutte zu stimmen. Auch unter den Anhängern von CDA (17 Prozent), Grün-Links (14) und der Partei für die Arbeit (13) gibt es solch strategische Wähler.

Im Vergleich zu Wilders hat Rutte bessere Chancen, Premier zu werden. Es wäre seine dritte Amtszeit. Doch einfach wird es für den smarten Den Haager auch nicht. Mit Ruttes bisherigem rechtsliberalen Sparkurs sind bei Weitem nicht alle Parteien einverstanden. Mögliche Koalitionspartner wären CDA und D66. Der Zusammenschluss würde bisher aber keine Mehrheit bekommen. Dazu bräuchte Rutte die Hilfe seines derzeitigen Partners. Doch ob die sozialdemokratische Partei für die Arbeit überhaupt noch will, ist mehr als fraglich. Ihr droht die größte Niederlage ihrer Geschichte - nur noch elf statt 38 Sitze.

Ohnehin wird die Regierungsbildung dieses Mal besonders kompliziert: Die Parteienlandschaft war noch nie so zersplittert, der Ton unter den Politikern noch nie so rau. 81 Parteien meldeten sich für die Wahl, 28 reichten eine Kandidatenliste ein. Hinzu kommt: Es gibt nahezu keine Sperrklausel. Wer rund 60.000 Wählerstimmen zusammenbekommt, erhält einen Sitz (bei 150 Sitzen 0,67 Prozent). Neugegründete Parteien versuchen daher, den großen Mitspielern Stimmen abzujagen.

Wie geht die Wahl also aus? Viele Meinungsforscher in den Niederlanden sind sich bereits einig: Geert Wilders wird nicht Ministerpräsident. Wahrscheinlicher ist eine Minderheitsregierung mit VVD, CDA und D66, die von vielen Parteien geduldet werden könnte. Doch diese Variante dürfte Mark Rutte Bauchschmerzen bereiten: Die (vorgezogene) Parlamentswahl 2012 fand statt, weil die Minderheitsregierung aus VVD und CDA bei Verhandlungen über Haushaltskürzungen keine Mehrheit erlangte. Wilders' PVV, die die Regierung bis dahin toleriert hatte, lehnte das Sparpaket ab.

(jaco)
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