Calgary Niedriger Öl-Preis macht Kanada zu schaffen

Calgary · Die Erdölkonzerne streichen Jobs und den öffentlichen Haushalten drohen riesige Löcher.

Brendan Rogers jobbte lange auf den Ölfeldern Kanadas. Für den 23-jährigen Rohrleger war es ein lukrativer Job. Er arbeitete in Schichten, erst zwei Wochen in einem Camp nahe Fort McMurray, dann hatte er eine Woche lang frei für Freunde und Familie. Mehr als 100 000 Dollar verdiente er im Jahr.

Doch nun sind die rosigen Zeiten vorbei. Vor ein paar Tagen wurde Rogers entlassen. "Nach meiner letzten Schicht gab mir mein Vorarbeiter die Hand und sagte, das war's", erzählt er. "Jedenfalls für dieses Jahr." Für's erste will Rogers jetzt zu seinen Eltern in den Osten des Landes zurückziehen und sich dort einen Job als Klempner suchen.

Rogers gehört zu den Opfern der niedrigen Ölpreise. In Kanada liegen die drittgrößten bekannten Ölreserven der Welt und dank der Reichtümer lief die Wirtschaft des Landes in den letzten 15 Jahren wie geschmiert. Kanada kam weitgehend unbeschadet aus der Finanzmarktkrise und knapp eine Million Menschen arbeiten heute in der Rohstoffindustrie. Nun aber droht ein Ende des Booms. Der Ölpreis ist seit Juni 2014 um sechzig Prozent gefallen auf unter 50 Dollar je Barrel. Das trifft die Kanadier hart, denn sinkende Preise bedeuten geringere Gewinne, weniger Steuereinnahmen, weniger Investitionen, weniger Jobs. Jeder zehnte Dollar, der im Land erwirtschaftet wird, hängt direkt oder indirekt vom Öl ab.

Unlängst hat die kanadische Notenbank daher zum ersten Mal seit vier Jahren überraschend ihre Leitzinsen gesenkt. Die Notenbanker kürzten den Schlüsselzins von 1,0 Prozent auf 0,75 Prozent, um die Wirtschaft anzukurbeln. Zuvor hatten die Notenbanker bereits ihre Wachstumserwartungen für 2015 nach unten korrigiert - von 2,4 Prozent auf 2,1 Prozent. Finanzminister Joe Oliver musste den für Februar geplanten Staatshaushalt auf April verschieben. Oliver hatte mit einem Ölpreis von rund 80 Dollar gerechnet und wollte erstmals seit Jahren ein ausgeglichenes Budget vorlegen. Daraus wird jetzt wohl nichts. Statt dessen wird Oliver wohl auf die für Krisenzeiten angelegte Notfallreserve des Staates von rund drei Milliarden Dollar zurückgreifen müssen. In Frage stehen auch Wohltaten, welche die konservative Regierung ihren Bürgern mit Blick auf die anstehenden Parlamentswahlen im Herbst versprochen hatte: Steuersenkungen für Familien, größere Sparerfreibeträge, Boni für jugendliche Eishockeyspieler.

Noch härter trifft es die Bewohner der Ölsand-Provinz Alberta. Lange galt die Region im Westen als das ökonomische Zugpferd. Die Wirtschaft wuchs dank des Öls bis vor kurzem drei Mal so schnell wie im Rest des Landes. In Alberta entstanden rund ein Viertel aller Jobs in Kanada. Jetzt droht Alberta die Rezession und die Provinz muß mit riesigen Haushaltslöchern rechnen. So ernst ist die Lage, dass die Regierung sogar die Einführung einer Mehrwertsteuer und einer Gesundheitsprämie prüft. Bislang haben die Bürger eine freie Gesundheitsversorgung und müssen auf Einkäufe keine Provinzsteuer zahlen.

(RP)
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