Bogota Nobelpreisträger ohne Frieden

Bogota · Die Auszeichnung für Präsident Juan Manuel Santos kommt gerade recht, um die Verhandlungen mit den Farc-Rebellen zu retten.

Den Anruf aus Oslo nahm Sohn Martín an - in aller Frühe. Um vier Uhr Ortszeit klingelte im Präsidentenpalast das Telefon: Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos ist Friedensnobelpreisträger. Die Auszeichnung soll nach dem Nein bei der Volksabstimmung vom vergangenen Sonntag dem Friedensprozess einen Schub geben.

Santos wirkt überrascht, als ihn das Nobelpreiskomitee anruft. Er spricht zwar perfekt Englisch, aber diesmal überschlägt sich seine Stimme. Er kämpft nicht nur mit der Müdigkeit, er kämpft auch mit seinen Emotionen. "Vielen Dank. Danke", spricht er hektisch ins Telefon. Kurze Zeit später wird er die Auszeichnung seinem Volk widmen: "Kolumbianer, das ist euer Preis", sagt der 65-Jährige in einer Fernsehansprache und würdigt die Millionen Opfer, die der 52 Jahre dauernde Konflikt mit den Farc-Rebellen forderte. Und das Osloer Komitee stellt eilends klar, die Entscheidung für Santos sei nicht gegen das kolumbianische Volk gerichtet.

Die Medien hatten den Traum vom Friedensnobelpreis bereits beerdigt. Aber wie so oft weiß Oslo zu überraschen. Ungewöhnlich ist auch, dass die Jury nicht zugleich den Chef der linken Farc-Guerilla, Rodrigo "Timoschenko" Londoño, ausgezeichnet hat. Zumal der Friedenspreis oft an beide Konfliktparteien geht. Andererseits kann Londoño schlecht "belohnt" werden, weil unter seiner Führung Verbrechen begangen wurden.

Ein Fehler? Die Begeisterung des Farc-Kommandeurs über den Preis hielt sich gestern in Grenzen: "Der einzige Preis, den wir anstreben, ist der Frieden mit sozialer Gerechtigkeit ohne Paramilitarismus, ohne Vergeltung und Lügen." Santos' innenpolitischer Gegner, Ex-Präsident Álvaro Uribe, beglückwünschte Santos zwar. Er forderte ihn aber auf, "das Abkommen, das für die Demokratie schädlich ist, zu verändern".

Juan Manuel Santos jedenfalls gibt der Preis fürs Erste Auftrieb - allein wegen der internationalen Aufmerksamkeit. "Der Friedensprozess sollte die ganze Welt inspirieren", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Ähnlich äußerte sich Bundespräsident Joachim Gauck. Etwas verhaltener fiel die Reaktion des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri aus: "Das ist eine sehr mutige Entscheidung, ich denke, sie wird viel diskutiert werden", sagte Sipri-Direktor Dan Smith.

Santos kann Zuspruch gut gebrauchen. Seit der Friedensvertrag mit der Farc-Guerilla vor einer Woche in einer Volksabstimmung knapp durchfiel, steht wieder alles infrage. Vielen Kolumbianern war der Vertrag zu soft. Auch die geplante politische Beteiligung der Ex-Guerilleros stößt vielen auf. So sollten die Rebellen bis zu zehn Sitze im Kongress bekommen. Vier Jahre lang hatten Unterhändler in Kubas Hauptstadt Havanna den Friedensvertrag verhandelt. Am Ende war es ein Abkommen, das viele handwerkliche Fehler enthielt und das damit angreifbar wurde.

Doch seit dem dramatischen Referendum geht ein Ruck durch das Land. Während die internationale Presse schon wieder den Krieg herbeischreibt, tut sich etwas Außergewöhnliches. Endlich kommt die Rückendeckung auch von der Straße. Zehntausende Studenten marschierten mit Kerzen und weißen Hemden zur Plaza Bolívar im Herzen der Stadt. Von hier aus konnte der Präsident hören, wie seine Landsleute die Nationalhymne sangen.

Jetzt muss Santos schnell handeln, damit der Friedensprozess nicht in tausend Stücke zerspringt. Seit gestern kann er das auch mit der moralischen Autorität eines Friedensnobelpreisträgers tun.

(RP)
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