Persönlich Norbert Blüm . . . kritisiert die CDU und sich selbst

Von Altersmilde keine Spur bei Bundesminister a.D. Norbert Blüm (1982-1998). Diese lodernde, seltene Mischung aus Werkzeugmacher und Philosoph, aus Handarbeiter und Intellektuellem, die im nächsten Jahr 80 wird, hatte zu ihrem Siebzigsten seherisch die Selbstentblößung des heillosen globalen Finanzkapitalismus vorhergesagt. Nun prophezeit der mit seiner Ehefrau Marita in Bonn lebende Blüm das baldige Ende eines individualistischen, bloß an persönlicher Vorteilsmaximierung orientierten Bildes von Ehe und Familie.

Blüm schrieb deshalb im Westend-Verlag eine lesenswert forsche Polemik mit dem herausfordenden Titel "Einspruch". Aus persönlicher Erfahrung mit letztlich (ehe-)frauenfeindlichen Auswüchsen an Familiengerichten kritisiert der Vater von drei erwachsenen Kindern selbstgerechte Richter, herzenskalte Rechts-Ausleger, tricksende Anwälte und materialistische Kuhhandel, bei denen die Gerechtigkeit unter die Räder gerät. Schwächere, oft sind es die mutwillig Verlassenen, erfahren laut Blüm, dass die auf Lebenszeit angelegte Ehe zu einem "Wechselbalg" verkommt: Man schließt und löst eine Ehe, je nach persönlicher Vorteilseinschätzung.

Der Christdemokrat bezichtigt seine Partei und auch sich selbst, "Schmiere gestanden zu haben" bei der "normativen Entkernung des Ehe- und Familienbegriffs". "Ich bin mitschuldig", räumt Blüm ein, "dass im Familienrecht einem Zeitgeist Rechnung getragen wurde, der Freiheit missversteht als Option mehrerer Wahlmöglichkeiten." In dem Sinn werden Kinder und Ehepartner als freiheitseinschränkend empfunden. Der Mensch als Vorteilsmaximierer - davor graut es Blüm. Nach seiner festen Überzeugung als Optimist streben junge Menschen verstärkt nach Heimat, Treue und Familie und nicht nach einer wirtschaftskompatiblen "Ehe", die laut Blüm schneller beendet werden kann als mancher Miet- und Arbeitsvertrag.

(RP)
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