Persönlich Norbert Kuß . . . saß zu Unrecht im Gefängnis

Norbert Kuß hat seine späte Genugtuung bekommen. Nach jahrelangem Rechtsstreit erhält das Justizopfer nun Schmerzensgeld von der Gutachterin, die ihn mit ihrer letztlich fehlerhaften Expertise ins Gefängnis gebracht hatte. Das entschied gestern das saarländische Oberlandesgericht in Saarbrücken. "Es geht unter die Haut, und es braucht Zeit, bis man es begreift", sagte der 74-Jährige nach dem Urteil.

Kuß war 2004 auf Grundlage des Gutachtens wegen schweren sexuellen Missbrauchs seiner Pflegetochter zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Ein Jahr zuvor hatte seine ehemalige Pflegetochter behauptet, Kuß habe sie wiederholt im Intimbereich berührt und missbraucht. Fast zwei Jahre der Strafe hatte er bereits abgesessen, bevor das Urteil in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben wurde.

13 Jahre später sprach das Gericht Kuß nun 60.000 Euro als Entschädigung zu - 10.000 Euro mehr als jene Summe, zu der die Psychologin bereits 2015 vom Landgericht Saarbrücken verurteilt worden war. Dagegen hatte sie damals Berufung eingelegt. "Die Kernaussage des Gutachtens, wonach die Angaben der Belastungszeugin mit hoher Wahrscheinlichkeit als glaubhaft einzuschätzen waren, war nicht haltbar", betonte der Richter.

Bevor Norbert Kuß des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurde, war er technischer Beamter bei der Bundeswehr. Er und seine Frau entschieden sich 2001, ein damals zwölfjähriges Mädchen als Pflegetochter aufzunehmen. Da es mit dem Kind zu mehreren problematischen Vorfällen kam - das Ehepaar berichtete von "sehr sexualisiertem und provokantem Verhalten" - kündigten die Eltern die Pflegschaft des Kindes Ende 2002. Bereits im Januar 2003 beschuldigte die ehemalige Pflegetochter dann ihren ehemaligen Pflegevater. Infolge der Verurteilung wurde er nach 46 Jahren Dienstzeit aus dem Beamtenverhältnis entlassen.

Sebastian Esch

(RP)
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