Pjöngjang Nordkoreas Führer sind eine Marke für sich

Pjöngjang · Der groteske Personenkult der Kim-Dynastie spiegelt sich auch in Briefmarken wider.

Nordkoreas Jungdiktator Kim Jong Un schien zu schweben. Am 30. Dezember 2011 sah es so aus, als ob der damals 28-Jährige seine Füße nicht fest auf dem Boden hatte. Er stand neben seinem Vater Kim Jong Il, der zwei Wochen zuvor an einem Herzinfarkt gestorben war. Pjöngjangs Postamt machte das Wunder möglich: Einen Tag nach Ablauf der offiziellen Trauerzeit gab es zum Gedenken an den im Alter von 69 Jahren verstorbenen Machthaber einen Briefmarkenblock heraus. Darauf ein Foto von Vater Kim gemeinsam mit seinem Sohn und designierten Nachfolger.

Es war Nordkoreas erste Briefmarke, die den neuen Führer zeigte. Die Aufnahme für die Marke entstand offenbar auf dem Vorplatz zur Geburtsstätte des legendären Staatengründers Kim Song Il. Der Sohn und der Enkel des Patriarchen tragen auf dem Foto die gleichen grauen Anoraks. Das Postwertzeichen bestätigte in gedruckter Form, dass der Übergang der Macht auf die dritte Generation der über Nordkorea herrschenden Familiendynastie der Kims abgeschlossen war.

Die Briefmarke muss wohl in aller Eile hergestellt worden sein, unter Zuhilfenahme von Retusche-Werkzeugen. Die Proportionen von Vater und Sohn scheinen nicht recht zu stimmen, ebenso wenig wie ihr Schattenwurf. Zu Lebzeiten des Vaters hatte es kein offizielles Foto der beiden gegeben. Auch auf nachträglich veröffentlichten Aufnahmen steht der Sohn stets respektvoll hinter dem Vater. Auf der Briefmarke Ende 2011 aber posiert er fast ebenbürtig neben ihm.

Nordkoreas Führer sind eine Marke für sich. Sie inszenieren landesweit einen grotesken Personenkult, wie man ihn aus keinem anderen Land der Welt kennt. Sie nutzen dazu auch die Postwertzeichen ihres abgeschotteten Landes. Dafür gibt es ungeschriebene Regeln: Beim Personenkult gebührt Großvater und Vater des aktuellen Herrschers Kin Jong Un immer noch der Vortritt. Sie liegen zwar einbalsamiert in Kristallsärgen in Pjöngjang, doch der eine als "ewiger Präsident" des Landes und der andere als "ewiger Generalsekretär" der Arbeiterpartei. So wurden allein 31 Marken, die 2012 und 2013 erschienen, dem Ruhm von Kim Il Sung gewidmet und 16 dem Vater Kim Jong Il. Das Porträt seines Sohnes zierte bis Ende 2013 lediglich sechs Marken.

Solche Sondermarken werden nicht mit normaler Post verschickt. Vermutlich schickt es sich nicht, ihre Kehrseite zu lecken oder die Vorderansicht zu stempeln. Pjöngjangs Briefmarken-Gesellschaft, die Vertretungen in China und für Europa in Österreich unterhält, gibt die Auflage der meisten Marken mit nur 50 000 Exemplaren an. Für die 24 Millionen Nordkoreaner sind solche Marken nicht bestimmt. Eher landen sie bei Ausländern, die nach Motiven sammeln und dafür mit Devisen bezahlen. Ein großes Geschäft ist das aber wohl nicht.

Chinesische Touristen kaufen an den Grenzen nordkoreanische Billigmarken als Souvenirs, und Online-Shops verramschen sie. Nordkorea lässt sich vom Desinteresse aber nicht beirren. Neben einem Designinstitut für Marken und einem Briefmarkenmuseum in Pjöngjang gibt es prächtige Sammlerkataloge heraus. Der jüngste erschien 2011 mit 545 Seiten. Die Preise werden in Euro angegeben. Sämtliche zwischen 1946 und 2010 erschienenen 5600 Marken sind laut Katalog 17 302 Euro wert. Frühe nordkoreanische Marken sind am teuersten, darunter die beiden ersten 1946 erschienenen Marken des "großen Führer und Genossen Kim Il Sung" für 1800 Euro. Heutige Marken der Kims sind auch nach offiziellem Kurs nur Cents wert. Die Diktatoren wurden so inflationär gedruckt, dass sie sich selbst entwertet haben.

(RP)
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