Rechtsextreme Partei NPD zwischen Pleite und Verbot

Düsseldorf · Weil selbst kleinere Wahlerfolge ausbleiben, bricht der NPD ein wichtiges Stück Infrastruktur weg. Jede Stimme weniger kostet Geld - die Partei ist am Ende. Würde Karlsruhe sie verbieten, wäre das unverhältnismäßig.

 Udo Pastörs im Regen: Auch in Mecklenburg-Vorpommern sitzt die NPD nicht mehr im Landtag

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Schon damals mussten sie hören, dass sie mehr und mehr in der Bedeutungslosigkeit versinken. Dass ihnen kaum mehr jemand zuhört. Dass die paar Mandate, die sie noch haben, ja wirklich nur noch ein paar Mandate sind.

NPD zwischen Pleite und Verbot
Foto: A. Zörner

Frank Franz hat das alles ertragen. Er hatte einen dunkelblauen Anzug aus dem Schrank geholt, ein Tuch ins Sakko gesteckt und seine Haare akkurat frisiert. Er hatte sich in die erste Reihe gesetzt, den Professoren, Wissenschaftlern, Juristen und Politikern gelauscht und sich beinahe nicht geregt. Frank Franz, Bundesvorsitzender der rechtsextremen NPD, hatte schon schönere Tage erlebt als jene Anfang März vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Damals ging es um das Verbot der NPD, das der Bundesrat beantragt hatte. Die Partei, so die Begründung des Antrags, sei derart rechtsextrem, dass von ihr eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehe. Schon während der mündlichen Verhandlung hatten die acht Richter des Zweiten Senats aber Zweifel, dass das wirklich so ist. Blickt man nun, sieben Monate später, zurück auf die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern oder Berlin, dann drängen sich Zweifel an der institutionellen Gefährlichkeit der NPD geradezu auf.

Konkurrenz AfD

24.322 Menschen haben die NPD in Mecklenburg-Vorpommern gewählt - drei Prozent. Erschreckend viel, aber für die NPD viel zu wenig. Die selbsternannten "Nationalen" sind damit aus dem letzten deutschen Landesparlament ausgeschieden; ihr Ergebnis von 2011 hat sich halbiert. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin erreichte die NPD 0,6 Prozent.

Jetzt verfügt sie noch über einige Kommunalmandate, aber selbst hier ist die Zahl rückläufig. Zumindest bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen im September hatte die NPD auf einen Erfolg gehofft - erzielte aber nur 0,1 Prozent.

Die Partei hat mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen. Eines der größeren stellt derzeit die AfD dar. Denn die selbsternannte Alternative sammelt am rechten Rand fleißig Wählerstimmen ein. Wer sichergehen will, dass sich seine nationale Sicht der Dinge in Parlamentssitzen niederschlägt, wählt inzwischen AfD.

Die NPD wiederum sorgt zwar durch ihre bloße Existenz dafür, dass die AfD nicht noch weiter wächst: Solange es die NPD gibt, kostet sie die AfD Stimmen. Aber die Partei von Frank Franz schrumpft naturgemäß durch die rechte Alternative.

NPD spielt keine Rolle mehr

Doch wie lange gibt es die NPD noch? Vor dem Bundesverfassungsgericht, das über das Parteiverbot entscheidet, dürften die Erwägungen über den Bedeutungsverlust durch die Wahlen der jüngeren Vergangenheit keine Rolle mehr spielen. Der Zweite Senat, so hört man, hat seine Beratungen abgeschlossen und eine Entscheidung getroffen. Er wird noch in diesem Jahr erklären, wie es mit der NPD weitergeht. Zieht das höchste deutsche Gericht das schärfste Schwert der Demokratie gegen einen politischen Zwerg, der überdies vor der finanziellen Pleite steht?

Der Düsseldorfer Parteienrechtler Martin Morlok rechnet nicht damit. Er hält es für unwahrscheinlich, dass die Verfassungsrichter Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes bemühen und die NPD tatsächlich verbieten werden. Das hängt vor allem mit der Bedeutungslosigkeit zusammen, die sich auch schon vor Mecklenburg-Vorpommern abzeichnete. Das Bundesverfassungsgericht müsste sich nämlich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg rechtfertigen.

Dort, das weiß man aus Verfahren anderer Länder, setzt man für die Rechtmäßigkeit eines Parteiverbots eine konkrete Gefahr für die Demokratie voraus. Bei aller Dringlichkeit des Problems Rechtsextremismus: Das wird man von der NPD nicht behaupten können. Selbst wenn Verfassungsrichter Peter Müller bei der mündlichen Verhandlung anmerkte, dass das Programm der NPD über das der NSDAP hinausgehe, so besteht die Gefahr einer parlamentarischen Umsetzung faktisch nicht. Würde Karlsruhe aus diesen Erwägungen heraus wieder einmal nicht zum Verbot greifen, wäre der Bundesrat abermals blamiert. Es wäre nach 2003 der zweite gescheiterte Versuch eines Verbots.

Unappetitliche Auffassungen aushalten

Der NPD allerdings hilft das wenig: Weil selbst kleinere Wahlerfolge ausbleiben, wird auch ihre finanzielle Lage immer kritischer. Für jede Stimme bei einer Wahl gibt es Geld vom Staat. Früher gab es die Wahlkampfkostenerstattung, heute unterstützt die öffentliche Hand die Parteien gemäß ihren Wahlergebnissen und der Spendenhöhe. Die 24.322 Menschen, die in Mecklenburg-Vorpommern NPD gewählt haben, brachten der Partei ebensoviele Euro.

Für die NPD ist das viel zu wenig. Sie muss Mitarbeiter bezahlen, Werbung, Büros - und auch die teuren "Familienfeste", die in Wahrheit rechtsextreme Propaganda-Veranstaltungen sind. Ihre Parteizentrale in Berlin musste die NPD bereits dem Bundestag als Sicherheit überlassen. Sie wird mit 355.500 Euro bewertet und dient als Pfand, falls die Partei verboten wird und bereits geleistete Hilfen nicht zurückzahlen kann.

Politische Parteien müssen in jedem Jahr Rechenschaft ablegen, alle Einnahmen und Ausgaben protokollieren und unabhängig prüfen lassen. Das kann einige Zeit dauern. Der letzte Rechenschaftsbericht der NPD stammt daher aus dem Jahr 2014. Aufgeführt sind darin Großspenden von Privatpersonen in Höhe von 864.002,15 Euro. 46,61 Prozent der Gesamteinnahmen hingegen bezieht die Partei vom Staat. Die absolute Summe wird immer geringer.

Auch wenn es schmerzt, dass rechtsextreme Parteien überhaupt Geld vom Staat, also von uns allen, bekommen: Es ist notwendig. Pluralistische Gesellschaften müssen auch unappetitliche Auffassungen aushalten. Deutschland hält die NPD aus. Das schärfste Schwert der Demokratie muss sie gegen eine Partei in diesem Zustand nicht einsetzen. Es wäre unverhältnismäßig.

(her)
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