Debatte um Kunstschätze NRW - wie hältst du's mit der Kunst?

Düsseldorf · Wie viel Kunst besitzt Nordrhein-Westfalen, und welche Kunst sollte nicht veräußert werden? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass das Land beim Kaufen von Kunst nicht auf Wertsteigerung geschaut hat.

 Eine Skulptur einer geteilten Erdkugel steht vor der ehemaligen Zentrale der Landesbank WestLB in Düsseldorf. Die Kunstsammlung der WestLB-Nachfolgerin Portigon ist deutlich größer als bislang angenommen.

Eine Skulptur einer geteilten Erdkugel steht vor der ehemaligen Zentrale der Landesbank WestLB in Düsseldorf. Die Kunstsammlung der WestLB-Nachfolgerin Portigon ist deutlich größer als bislang angenommen.

Foto: dpa, mg cu

Schon als bekannt wurde, dass zwei Warhol-Bilder aus dem Besitz des landeseigenen Casino-Betreibers Westspiel versteigert werden sollten, brandete bundesweit Protest aus den Reihen derer auf, welche die Interessen der Kultur verfechten. Von drohendem Ausverkauf war die Rede - erst recht, als nach und nach offenkundig wurde, dass auch die NRW-Bank und die WestLB-Nachfolgerin Portigon vom Land offenbar seit Langem dazu auserkoren waren, sich ganz oder teilweise von ihren Schätzen zu trennen. Zuletzt forderte der Verband Deutscher Kunsthistoriker NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) dazu auf, der Portigon AG den Verkauf von Kunst zu untersagen.

Der Verkauf einzelner Kunstwerke bedeutet allerdings nicht zwangläufig den Untergang der landeseigenen Kunstsammlungen. Zunächst einmal ist eine Bestandsaufnahme erforderlich: Welche der infrage stehenden Schätze sind für das Land unabkömmlich, welche Verluste könnte man verschmerzen? Erfahrungsgemäß bestehen Kunstkollektionen - das erwies nicht zuletzt die anfangs viel zu hoch bewertete Sammlung Gurlitt - zu einem großen Teil aus Arbeiten auf Papier. Das ist keine schlechtere Kunst, als es Gemälde sind. Doch in Museen ist der Platz so knapp, dass sie sich auf die Glanzlichter beschränken sollten.

Nötig wäre eine Bestandsliste

Die Bestandsliste der WestLB, die kürzlich an die Öffentlichkeit gelangte, gibt oft nicht an, ob es sich bei den einzelnen Positionen um Gemälde oder Grafiken handelt - das erschwert die Bewertung erheblich. Zunächst also müsste das Land eine Bestandsaufnahme angehen - klären, welche Werke Museumsrang besitzen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass in den landeseigenen, auf NRW spezialisierten Sammlungen vermutlich viele Künstler mit ähnlichen Werken aus ihrem Schaffen vertreten sind. Auch da wäre ein Verkauf kein Verlust.

Sollten Kunstwerke zum Verkauf stehen, die sich seit Langem als Leihgaben in einem Museum befinden, müssten sich die Direktoren dieser Häuser an die eigene Nase fassen. Spätestens seit die Sammler Onnasch und Marx ihre Leihgaben aus dem Mönchengladbacher Museum Abteiberg abzogen, war bekannt, dass ein Museum seine Sammlung nicht auf Geliehenes gründen darf, will es nicht den Zusammenbruch seines Schaukonzepts riskieren. Schon zu Beginn der 80er Jahre hatte der Mäzen Peter Ludwig seine kostbare Sammlung mittelalterlicher Handschriften aus dem Kölner Museum Schnütgen abgezogen und dort eine schmerzliche Lücke hinterlassen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, ob - wie im Fall von Westspiel und Portigon - nur für den eigenen Gebrauch gesammelt wurde oder ausdrücklich in kulturellem Auftrag für die Öffentlichkeit. Das war in der ehemaligen Reichsabtei Aachen-Kornelimünster der Fall. Dort warnen die vereinten Kunsthistoriker zu Recht vor einem Ausverkauf - von der ebenfalls landeseigenen Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf ganz zu schweigen.

Es ging nicht um eine Geldanlage

An diese Sammlungen zu erinnern bedeutet auch, an die moralische Grundlage zu denken, auf der das Land NRW den Aufbau seiner Kunstkollektionen begann. Es ging nicht darum, Geld gut anzulegen. Aus Anlass der Gründung der Kunstsammlung in Düsseldorf erwarb das Land 88 Werke von Paul Klee, dem von den Nazis verfolgten Maler und Akademieprofessor. Es sollte nach dessen Tod eine späte Anerkennung und ein Akt der Wiedergutmachung sein. Franz Meyers, Ministerpräsident von 1958 bis 1966, legte zur Eröffnung der Kunstsammlung 1960 in Düsseldorf das Bekenntnis ab, dass der Staat Verantwortung trage gegenüber den schöpferischen Kräften in Geist und Kunst. In deren Werk offenbare sich das Schicksal unserer Zeit. Der Jurist und CDU-Politiker sagte auf dem Festakt, die Staatsgalerie NRW solle ein Kristallisationspunkt des Landesbewusstseins in Nordrhein-Westfalen werden. Gleich einem guten Gärtner werde man im Land künftig mit pflegerischer Sorgfalt die Entwicklung des kulturellen Lebens fördern.

Kunst sammelte das Land NRW noch früher und an anderer Stelle: 1948 begann das Kultusministerium, das gerade erst gegründet worden war, kurz nach der Währungsreform Förderankäufe zu tätigen. Von den Nazis verfolgten Künstlern wie Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff wollte man wieder auf die Beine helfen und auf der anderen Seite junge Künstler fördern.

300 Spitzenwerke im Fundus

Im Laufe der Jahrzehnte kamen 3800 Kunstwerke zusammen, von denen 300 heute als Spitzenwerke einzustufen sind. Während der Kaufpreis umgerechnet neun Millionen Euro beträgt, wird der Wert der Sammlung laut Schätzung der kürzlich verstorbenen Kuratorin Maria Engels mit 35 Millionen Euro angesetzt. Manche Bilder - wie die von Gerhard Richter, Sigmar Polke, K. O. Götz und Günther Uecker - sind im Wert um das Fünfzigfache gestiegen. Seit 1976 ist diese landeseigene Sammlung "Kunst aus NRW" in Kornelimünster zu sehen. Kürzlich meinte der Grünen-Politiker Rainer Priggen, Teile dieser Sammlung ließen sich gewinnbringend verkaufen; kurz darauf wurde er von der für Kultur zuständigen Ministerin Ute Schäfer (SPD) zurückgepfiffen. Derzeit gilt das Dementi.

Anders als bei den museal aufbereiteten Sammlungen wurden Bilder aus landeseigenen Banken und Casinogesellschaften bereits verkauft. Nach welchen Kriterien das geschah, darüber ließ das Land NRW die Öffentlichkeit im Unklaren. Die Regierung, so scheint es, hat immer noch kein Konzept - und das Kulturministerium bleibt bis heute praktisch stumm.

(RP)
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