Interview mit Christian Lindner "Lieber Neuwahl als neue Schulden"

Düsseldorf · Der designierte Vorsitzende der nordrhein-westfälischen FDP, Christian Lindner, setzt sich für die Wiedereinführung von "sozial ausgewogenen Studiengebühren" ein. Die Abschaffung unter Rot-Grün habe "nur Verlierer produziert", sagte der 33-Jährige FDP-Politiker im Interview mit unserer Redaktion.

FDP-Chef Porträt: Das ist Christian Lindner
28 Bilder

Christian Lindner – der Überflieger

28 Bilder
Foto: dpa/Focke Strangmann

Lindner, der am Sonntag auf dem Landesparteitag der Liberalen in Duisburg zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl und zum neuen Chef der NRW-FDP gewählt werden soll, erklärte, in Zeiten knapper Kassen sehe er zu Studiengebühren keine Alternative. Er halte das Prinzip für richtig, einen Teil des Studiums über ein später zurückzuzahlendes Darlehen zu finanzieren. Das sei "auch nur gerecht, da jeder Handwerksmeister für seine Ausbildung komplett selbst aufkommen muss".

Im Interview mit unserer Redaktion sprach Lindner über sein Verhältnis zu SPD und CDU, über die Piratenpartei und seine politische Zukunft. Die NRW-Wahl am 13. Mai betrachtet er nicht als Testwahl für die Bundestagswahl 2013.

Herr Lindner, morgen stellt die FDP die Landtagswahlliste auf. In Ihrer Partei rumort es, weil auf den vorderen Plätzen wenig Frauen zu finden sind.

Lindner: Dafür bin ich sensibel. Morgen wollen wir sehen, dass Frauen genauso stark repräsentiert sind wie 2010. In den nächsten Jahren müssen wir uns darum bemühen, unsere guten Frauen stärker in Verantwortung zu bringen.

Die FDP hat die Neuwahlen provoziert. War das klug?

Lindner: Die Alternative wäre gewesen, dass wir die Verschuldungspolitik von Rot-Grün mitgetragen hätten. Da sind mir neue Wahlen lieber als neue Schulden. Die FDP hat erkannt, dass die Entschuldung des Landes die wichtigste politische Aufgabe ist. Wichtiger als neue Aufgaben für den Staat oder an sich wünschenswerte Steuerentlastungen. Dass wir uns mit diesem neuen Denken einer Wahl stellen, zeigt unsere Glaubwürdigkeit.

Umfragen sehen die FDP bei vier Prozent. Gibt es einen Lindner-Effekt?

Lindner: Die Leute hören uns wieder zu. Aber in diesem Wahlkampf sollte es nicht um Nasen gehen, sondern um Sachfragen.

Die CDU will bei der Beitragsfreiheit für das dritte Kita-Jahr und dem Ende der Studiengebühren bleiben. Und Sie?

Lindner: Vor zwei Wochen hat die CDU im Landtag noch das Gegenteil gefordert. Für mich ist klar: Die Studienbeiträge waren sozial ausgewogen. Ihre Abschaffung hat nur Verlierer produziert. An den Hochschulen ist die Bildungsqualität massiv zurückgegangen. Darunter leiden die Studierenden.

Also wieder Studiengebühren?

Lindner: Ich sehe keine andere Lösung, um in Zeiten knapper Kassen die Qualität der Hochschulen zu verbessern. Es muss nicht eins zu eins das alte Modell sein. Aber das Prinzip, einen Teil des Studiums über ein später zurückzuzahlendes Darlehen zu finanzieren, halte ich für richtig. Es ist auch nur gerecht, da jeder Handwerksmeister für seine Ausbildung komplett selbst aufkommen muss.

Und die Kitas?

Lindner: Deren Beitragsfreiheit habe ich immer gefordert. Eltern müssen während der Phase der Familiengründung unterstützt werden.

Geht die FDP auf Rot-Grün zu?

Lindner: Wir bleiben unabhängig. Es hat ja schon punktuell eine Zusammenarbeit gegeben, etwa bei den Kommunalfinanzen. Es gibt aber ganz klar rote Linien, zum Beispiel in der Bildung. Wir sind nicht bereit, eine Politik mitzumachen, die das Gymnasium benachteiligt.

Wie stehen Sie zu Hannelore Kraft?

Lindner: Wir sind gemeinsam im Jahr 2000 in den Landtag gewählt worden. Ich schätze auch sie persönlich, halte ihre Politik auf Pump aber für unverantwortlich.

Ist das Thema CDU für Sie abgehakt?

Lindner: Nein, aber ich nehme wahr, dass die CDU in Nordrhein-Westfalen kräftig mit den Grünen flirtet. In der Bildungs- und Energiepolitik ist das offensichtlich. Völlig überraschend ist das nicht, denn der klügste Grüne in der Bundesrepublik ist ja ein Christdemokrat, nämlich Norbert Röttgen.

Setzen Sie auf Regierungsbeteiligung?

Lindner: Klar ist doch: Wer Politik macht, will auch gestalten. Aber zunächst einmal müssen wir den Einzug in den Landtag erkämpfen. Der Wille zur Regierungsbeteiligung unterscheidet die FDP deutlich von der Piratenpartei. Das mag damit zusammenhängen, dass die Piraten gegenwärtig nicht recht wissen, was sie wollen.

Wildern die NRW-Piraten im Wählerreservoir der FDP?

Lindner: Bei den Bürgerrechten im Internet gibt es Gemeinsamkeiten. Auch wir wenden uns als Regierungspartei gegen staatliche Spitzelei. Die Geringschätzung des geistigen Eigentums bei den Piraten ist aber inakzeptabel. Freiheit ohne Regeln ist Anarchie.

Wo kann die FDP Wähler gewinnen?

Lindner: 40 Prozent derjenigen, die 2010 FDP gewählt haben, sind aus Enttäuschung über die Bundespolitik in das Lager der Nichtwähler gewandert. Denen wollen wir zeigen, dass die FDP hier in NRW eine Selbstkorrektur vorgenommen hat.

Sie haben als Generalsekretär der Bundespartei doch auch zu den maßgeblichen Akteuren gehört ...

Lindner: ... aber im Dezember habe ich dieses Amt abgegeben.

Was passiert mit Parteichef Philipp Rösler, wenn es in NRW schiefgehen sollte?

Lindner: Am 13. Mai geht es um unser Land. Es steht die FDP-NRW zur Wahl und nicht die Bundes-FDP. Die Landtagswahl ist keine Testwahl für die Bundestagswahl.

Sie haben sich mit Leib und Seele NRW verschrieben?

Lindner: Ja, ich bewerbe mich um den Landesvorsitz und möchte nach der Wahl unsere Fraktion führen.

Behalten Sie Ihr Bundestagsmandat, falls die FDP das Wahlziel verfehlt?

Lindner: Gegenfrage: Wie sollte ich Politik für NRW machen, wenn ich nicht einem Parlament angehöre? Mein Ziel ist der Landtag.

(RP/rm/sap)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort