Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann Die herzlichen Rivalinnen

Düsseldorf · Vor zwei Jahren haben Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann die Minderheitsregierung in NRW gebildet. Bei der Neuwahl am 13. Mai wollen sie eine breite Mehrheit für ihre Politik erreichen. Wie kommt das Spitzen-Duo miteinander klar? Ein Doppel-Porträt.

März 2012: Der NRW-Landtag löst sich auf
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Gemeinsam treten sie selten auf. Im Wahlkampf sei es besser, getrennt zu marschieren, heißt es bei den Parteistrategen. Der 6. Mai ist eine Ausnahme. Da feiert Bärbel Höhn ihren 60. Geburtstag. Die Bundes-Grüne hat Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann eingeladen. "Beide werden eine Rede halten", berichtet Höhn und lächelt. "Sie stehen für einen neuen Stil. Von ihrer Art, miteinander umzugehen, konnten wir vor 2005 nur träumen. Zu meiner Zeit in Düsseldorf hat die SPD den Grünen nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gegönnt", sagt Höhn.

Ein anderer Wind

Seit 2010 weht — vielbeschworen — in Düsseldorf ein anderer Wind. Mit Hannelore Kraft (SPD) und Sylvia Löhrmann (Grüne) stehen zwei Frauen an der Spitze einer Minderheitsregierung. Fast zwei Jahre haben sie nun zusammen Politik gemacht, gemeinsam gekämpft und miteinander gerungen. Eine persönliche Freundschaft hat sich nicht entwickelt, aber man pflegt freundliche Umgangsformen.

"Sylvia Löhrmann und ich kommen beide aus dem Ruhrgebiet", sagt die Ministerpräsidentin. "Wir sprechen eine klare Sprache, sind geradeheraus. Selbst wenn es manchmal Streit in der Sache gibt, können wir aber auch hinterher herzlich miteinander lachen", sagt Kraft. Löhrmann sieht das ähnlich. "Frau Kraft weiß, was sie will", sagt die Grüne. "Sie ist direkt und geht spontan auf die Leute zu."

Löhrmann, die Architektin

Vor zwei Jahren, nach der Bildung der Minderheitsregierung, wurde in Düsseldorf für Kraft und Löhrmann der Spitzname "Hanni und Nanni" erfunden. In dem Kinderbuch über die beiden Geschwister, die in einem Internat leben, sei Nanni (also Löhrmann) die Aktivere, heißt es bei den Grünen. "Jede Kraft braucht einen Antrieb", steht auf dem Wahlplakat der Grünen.

Eine Anspielung darauf, dass Löhrmann die "Architektin" der Minderheitsregierung war. Auch den Schulfrieden mit der CDU verbucht Löhrmann auf ihrem Erfolgskonto. "Sie ist keine Show-Politikerin, sondern ist in allen Themen sattelfest und weiß, wovon sie spricht", sagt Sven Lehmann, Parteichef der Grünen in NRW.

Hannelore Krafts Stärke ist ihre Authentizität. "Zielorientiert, energisch und pragmatisch" nennt SPD-Fraktionschef Norbert Römer ihren Politik-Stil. Ein Fraktionsmitglied erzählt, in Kraft vermischten sich Eigenschaften ihrer Amtsvorgänger Wolfgang Clement und Johannes Rau. "Das Volksnahe erinnert an Rau, das Sprunghafte und Aufbrausende an Clement", sagt der Weggefährte. "Wenn Kraft sauer ist, hält man besser Abstand."

"In der Sache knallhart"

Silvia Löhrmann wirkt dagegen wohltemperiert. "Im Ton ist sie freundlich, aber in der Sache knallhart", sagt Gunhild Böth, Landtagsvizepräsidentin von der Linkspartei. Im ersten Regierungsjahr habe Löhrmann starke Akzente setzen können, doch mittlerweile sei sie zurückgefallen, heißt es bei der SPD.

Als Beispiel werden die Beratungen über den Etat genannt. Die SPD wirft den Grünen vor, sich in der Außendarstellung stets als Konsolidierer zu profilieren. "Nur bei sich selbst wollen sie nicht sparen", sagt ein SPD-Finanzer. Das habe Kraft nun nicht mehr durchgehen lassen.

Schmerzhafte Erfahrung

Das war vor allem für Schulministerin Löhrmann eine schmerzhafte Erfahrung. Sie hatte argumentiert, dass das Bildungsressort — als eines der Aushängeschilder der rot-grünen Präventionspolitik — nicht in vollem Umfang von den geplanten globalen Minderausgaben betroffen sein würde. Als sich kein Kompromiss abzeichnete, brach Kraft die Verhandlungen kurzerhand ab. Nach Beratungen mit ihrer Fraktion habe Löhrmann schließlich einschwenken müssen, heißt es.

"Klare Kante" zeigte die Ministerpräsidentin auch beim Thema Ladenschluss. Die Grüne Daniela Schneckenburger hatte offensiv für eine Beschränkung der Öffnungszeiten auf 22 Uhr geworben. Kraft hielt nichts davon — und räumte das Thema ab.

Auch das Thema Neuwahlen hatte SPD und Grüne lange entzweit. Während die Grünen glaubten, sie könnten nach dem Umfragehoch in der Folge von Fukushima von einem Urnengang profitieren, fürchteten die Sozialdemokraten Verluste. Nun, nachdem der Ernstfall Neuwahl eingetreten ist, haben sich die Vorzeichen geändert. Die SPD profitiert vom Amtsbonus und der Popularität von Kraft. Die Prognosen für die Grünen sind hingegen ernüchternd. Die Piraten, die mit der Mundorgel- und Lagerfeuerromantik der Alt-68er nichts anfangen können, machen ihnen plötzlich die Hegemonie über die Moderne streitig.

Verkalkuliert?

Schon befürchten manche Grünen, dass sich ihre Partei mit der Entscheidung, Neuwahlen herbeizuführen, verkalkuliert habe. Je mehr Parteien ins Parlament kommen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass klare Verhältnisse nur durch eine große Koalition von SPD und CDU zu erzielen sind. Löhrmann und ihre grünen Kabinettskollegen fänden sich auf der Oppositionsbank wieder.

Nun versuchen die Grünen, sich durch eine Zweitstimmen-Kampagne auf Kosten der SPD zu stabilisieren. Auf einem Plakat, das Löhrmann neben Kraft stehend zeigt, ist der Aufruf "Zweitstimme Grün" zu lesen. Es hat den Anschein, als ob Kraft für die Wahl der Grünen werben würde. "Mehr als frech" finden das die Sozialdemokraten. Vor allen Dingen, weil die Grünen in Städten wie Aachen, Münster und Köln um Erststimmen werben. Zudem geht die Angst um, die Zweitstimmen aus der SPD für die Grünen könnten am Ende einer schwarz-grünen Koalition ins Amt verhelfen.

Uneitel im Stil

Noch sind es 30 Tage bis zur Landtagswahl. Reiner Priggen, Fraktionschef der Grünen, hofft darauf, dass Kraft und Löhrmann ihren "konstruktiven und uneitlen Stil" fortsetzen können. "Schön, wenn Frauen wieder den Haushalt machen", steht auf einem Wahlplakat der Grünen. Ein Slogan, der für Aufmerksamkeit sorgt — und Kritikern eine Steilvorlage bietet. "Wenn wir diese Frauen den Haushalt machen lassen, führt das zu einem beispiellosen Ruin der Landesfinanzen", sagt Gerhard Papke, Fraktionsvorsitzender der FDP. Bei der Union heißt es, die Schuldenpolitik solle "weggeschmunzelt" werden.

Morgen startet Ministerpräsidentin Kraft in den Wahlkampf. Schon jetzt ist klar, dass der gemeinsame Auftritt mit Löhrmann am Geburtstag von Höhn viel Beachtung finden wird. Der Ehrentag gerät zum Medienspektakel. Höhn versichert übrigens, die beiden schon vor der Neuwahl-Entscheidung eingeladen zu haben.

(RP/csi/rm)
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