Röttgen gegen Kraft Ein Duell mit ungleichen Waffen

Düsseldorf · Noch drei Wochen hat Norbert Röttgen, um das Ruder rumzureißen. Der Bundesumweltminister, der momentan als CDU-Spitzenkandidat vor allem Wahlkämpfer in Nordrhein-Westfalen ist, fängt seine Sätze gerne an mit: "Wenn ich Ministerpräsident wäre, würde ich ..." Glaubt man Umfragen, ist er davon allerdings noch weit entfernt. Und der Straßenwahlkampf zeigt: Manche kennen den CDU-Politiker gar nicht.

NRW-Wahl 2012: Die Wahlplakate der Parteien
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Nach allen Umfragen liegt die CDU des 46-jährigen Herausforderers hinter der SPD von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Bei der Frage nach dem gewünschten künftigen Regierungschef sieht das jüngste ZDF-"Politbarometer" Röttgen mit 32 Prozent klar abgeschlagen hinter der SPD-Spitzenkandidatin mit 55 Prozent. Der CDU-Bundesvize muss die Ärmel hochkrempeln bis zur Landtagswahl am 13. Mai - und kämpft dabei mit ganz anderen Waffen als Kraft.

Röttgen setzt auf Fachthemen

Die 50-Jährige präsentiert sich als Landesmutter, die sich kümmert. Sie spricht Emotionen an, hat laut Plakaten "NRW im Herzen" und lässt sich im Straßenwahlkampf auch gerne umarmen. Der promovierte Jurist Röttgen geht sachlich ran, setzt auf Fachthemen. Vor Unternehmern, Wissenschaftlern und Studenten in Monheim bei Düsseldorf verspricht er eine solide Finanzpolitik nach "hemmungsloser Verschuldung" von Rot-Grün. Er sagt, wie er neue Impulse für Wirtschaft und Infrastruktur, für Kindergärten, Bildung und Wissenschaft geben will, wie seine Energie- und Industriepolitik aussieht. "Nordrhein-Westfalen muss nicht weiter hinten liegen."

Der SPD hält Röttgen "Überheblichkeit" und "Inhaltsleere" vor. Das umstrittene Plakat "Currywurst ist SPD" wird für den CDU-Wahlkämpfer zum gefundenen Fressen. Die SPD habe "den Tiefpunkt der Banalisierung erreicht". Präzise beantwortet der Spitzenkandidat Fragen über Netzausbau oder Studiengebühren, die er - ein inhaltlicher Schwenk für die CDU - nicht wieder einführen will. Der Minister, der weiterhin nicht Farbe bekennt, ob er auch als Oppositionsführer parat stehen würde, kann vor interessiertem Publikum fachlich punkten.

Beim "normalen Bürgerkontakt" wird es komplizierter. Mehr als Smalltalk ist ohnehin nicht drin, als Röttgen auf einem Marktplatz und in einer Einkaufshalle im rheinischen Langenfeld durchs Wahlvolk zieht. Sein Begleittross ist groß, Tuchfühlung ist da schwierig. Es zeigt sich, dass manche nicht wissen, wer da eigentlich gekommen ist.
"Schön sauber", lobt Röttgen die Arbeit einer Reinigungskraft, die gerade mit einem Schaufenster fertig geworden ist. Die ist ganz verdattert. "Wer war das denn? Den kenn ich gar nicht."

"Sie haben ja noch ganz schön was vor"

Drei Musiker, die auf Akkordeon und Geige angesichts laufender Kameras besonders fröhlich aufspielen, werden vom Wahlkämpfer ein wenig gestelzt gelobt: "Super! Mit großer Freude im Gesicht wird hier gespielt." Sobald der Pulk vorbeigezogen ist, zucken die drei die Schultern. Kein Schimmer, wer da gerade mit ihnen geplaudert hat. Eine Verkäuferin meint: "Das ist ein Politiker. Aber welches Amt der hat - sorry, da muss ich passen." An einem Marktstand bekommt Röttgen einen Korb - mit Obst. Und den Hinweis: "Sie haben ja noch ganz schön was vor."

Der CDU-Minister will "Politik aus den Augen unserer Kinder" machen, wie seine zentrale Plakat-Botschaft lautet. Aber auch beim Nachwuchs ist sein Bekanntheitsgrad nicht umwerfend. Der zehnjährige Leon und der elfjährige Marvin erzählen: "Er hat uns gefragt, in welchem Fußballverein wir spielen. Er war sehr nett. Wer war das noch mal?" Die zwölfjährige Klara kennt Röttgen dagegen aus dem Fernsehen. Und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Lukas weiß sogar: "Der will so was werden wie Angela Merkel, nur hier bei uns in Nordrhein-Westfalen."

(dpa)
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