Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen Endspurt beim Koalitionsvertrag

Düsseldorf · SPD und Grüne wollen am Dienstag ihre Verhandlungsergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren. Aber es gibt noch zahlreiche offene und wohl auch strittige Fragen. Ihre Ministerriege will Regierungschefin Hannelore Kraft erst nach ihrer Wiederwahl vorstellen.

NRW: Wer hat am rot-grünen Verhandlungstisch das Sagen?
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Zu Beginn der Gespräche geben sich die Verhandlungspartner herzlich: Die 32 Politiker von SPD und Grünen singen für Marc Herter, den Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, ein Ständchen zu seinem 38. Geburtstag. Dann wird es ernst zwischen SPD und Grünen. Fünf Stunden lang ringen beide Seiten zum dritten Mal in großer Runde hinter verschlossenen Türen um die Einzelheiten des Koalitionsvertrags, der die Basis für die gemeinsame Regierungsarbeit bis zum Jahr 2017 bilden soll.

Kurz nach 18 Uhr am Mittwochabend kommen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne) die Wendeltreppe vom ersten Stock herunter zu den im Eingangsbereich wartenden Journalisten. Wer erwartet hat, dass die beiden Spitzenpolitkerinnen mit konkreten Verhandlungsergebnissen aufwarten würden, sieht sich rasch enttäuscht. Einzelheiten würden nicht genannt, sagt Löhrmann gleich vorab. Nur so viel: In vielen Bereichen sei bereits eine weitgehende Übereinstimmung erzielt worden, und auch textlich sei man in vielen Fachbereichen gut vorangekommen: "Da sind wir weitgehend durch."

Alter Koalitionsvertrag als Vorlage

Löhrmann listet auf: Jugend/Kultur/Sport, Armutsbekämpfung, demografische Entwicklung, Frauen, Innen, Justiz, Kommunales/Demokratie, Europa/Eine Welt/Medienpolitik. Aber auch hier stünden alle Vereinbarungen noch unter Finanzierungsvorbehalt. Deswegen gebe es keine Details.

Löhrmann: "Wir wollen nicht Dinge versprechen, die wir im Laufe der nächsten Jahre nicht halten können." Auf Nachfrage berichtet sie, dass der alte Koalitionsvertrag zwar vielfach als Vorlage diene, doch müsse es in zahlreichen Politikfeldern ein "Update", also eine Aktualisierung, geben. Als Beispiel nennt sie das Thema Rechtsradikalismus, das 2010 noch nicht die Rolle gespielt habe wie jetzt.

Hannelore Kraft nennt ein weiteres Thema: "Die Inklusion hatte vor zwei Jahren noch nicht den Stellenwert wie heute." Rot-Grün will den gemeinsamen Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung, aber auch das Bauen und Wohnen für Behinderte und ältere Menschen zu einem Schwerpunkt in den nächsten Jahren machen.

Laut Kraft werden am Montagnachmittag wie geplant die sogenannten Beichtstuhlgespräche geführt, bei denen die einzelnen Arbeitsgruppen nacheinander ihre Ergebnisse dem engen rot-grünen Führungskreis vortragen. Bei dieser Gelegenheit sollen letzte offene und strittige Fragen geklärt werden.

Davon gibt es offenbar noch eine ganze Menge. Dazu gehören die Bereiche Energie, Bildung, Familie, Arbeit, Integration, Umwelt, Wirtschaft und Energie. Am Dienstagvormittag soll dann in einer abschließenden Koalitionsrunde über das Gesamtkonzept entschieden werden. Anschließend will das Führungsduo auf einer Pressekonferenz die Einzelheiten des Koalitionsvertrags erläutern.

Spekulationen um Voigtsberger

Als einer der ersten Politiker aus der Verhandlungsrunde verließ am Mittwochabend Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) den Verhandlungssaal. Sein Stuhl schien zu wackeln, doch mittlerweile deutet sich an, dass er auch in der nächsten Legislaturperiode dem Kabinett angehören könnte. Diskutiert wird, ob Voigtsberger künftig ein eigenständiges Verkehrsministerium leiten wird. Was ist dran an diesen Spekulationen?

Der Wirtschaftsminister gibt sich gelassen. "Schauen wir mal", sagt er und schmunzelt. "Manchmal gibt es ja tolle Überraschungen." Unklar ist weiterhin, welche Tätigkeit der bisherige Verkehrsstaatssekretär Horst Becker künftig ausüben wird. Der Grüne gilt als versierter Fachmann, doch die SPD würde den Posten gerne mit einem Sozialdemokraten besetzen.

Wie ihre Regierungsmannschaft aussehen soll, will Kraft erst am 21. Juni — einen Tag nach ihrer erneuten Wahl zur Ministerpräsidentin durch den Landtag — sagen. Die Struktur des Kabinetts, also der Zuschnitt der Ministerien, soll jedoch schon am kommenden Dienstag bekannt werden.

Der Dienstag ist für Hannelore Kraft (50) ein besonderer Tag: Es ist ihr Geburtstag. Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen hatte die Mülheimerin gescherzt, bis zu ihrem Geburtstag müsse alles in trockenen Tüchern sein. Daraus wird wohl nichts. Zumindest der halbe Dienstag steht noch ganz im Zeichen der Politik. Doch danach will sich Kraft ins Private zurückziehen: "Ich hoffe, am Nachmittag zu Hause Kaffee trinken zu können."

(RP/das)
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