Hells Angels und Bandidos NRW - Kampfplatz der Rocker-Banden

Düsseldorf · In Duisburg überschneiden sich die Interessen der verfeindeten Rockerbanden Hells Angels und Bandidos. Es geht um Einfluss im Rotlichtgewerbe. Die Polizeigewerkschaft warnt vor der Eskalation.

Der gepanzerte Einsatzwagen der Polizei hält direkt vor dem Clubhaus der Hells Angels in der Krefelder Innenstadt. Schwer bewaffnete SEK-Beamte stürmen das Gebäude. Wenige Augenblicke später knien die ersten Rocker mit Kabelbindern gefesselt auf dem Bürgersteig. Gleichzeitig finden in fünf weiteren Städten in NRW Durchsuchungen in Quartieren der Hells Angels statt.

Die Großrazzia am Dienstagabend ist der vorläufige Höhepunkt im Kampf der Polizei gegen die ausufernde Rockerkriminalität an Rhein und Ruhr. "Die Rocker blasen zum Angriff in NRW, die Gewalt wird weiter eskalieren. Durch Razzien gelangen wir an wichtige Erkenntnisse über die Strukturen der Banden", sagt Wilfrid Albishausen, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Seit Monaten verfolgen die Sicherheitsbehörden in NRW mit Sorge, dass die verfeindeten Gruppierungen Hells Angels und Bandidos verstärkt versuchen, ihre Machtansprüche durch Gebietsausweitungen auszudehnen. Dabei unterwandern die Banden nach Angaben des Innenministeriums zunehmend auch Teile der Sicherheitsbranche. "Zwischen den Gruppen gibt es einen oft blutigen Kampf um die Kontrolle von Diskotheken, Clubs und Rotlichtvierteln", sagt Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Wer die Einrichtungen kontrolliert, macht das Geld."

Eigentlich haben die beiden Motorradclubs ihre Territorien in NRW fernab von Recht und Gesetz untereinander klar abgesteckt. Während die Bandidos das Ruhrgebiet kontrollieren, beanspruchen die Hells Angels das Rheinland für sich. Doch in Duisburg, wo im Oktober 2009 nach einem tödlichen Kopfschuss auf ein Mitglied der Bandidos und anschließenden Massenschlägereien der Rockerkrieg in NRW endgültig ausbrach, überschneiden sich ihre Interessen. "Die Stadt spielt wegen des großen Rotlichtviertels eine zentrale Rolle in der Szene", erklärt Rettinghaus. Die Bandidos haben dort mit dem "Fat Mexican" seit Jahren eines ihrer größten "Chapter" (Untervereine) in Deutschland. Sie wollen damit ihren Machtanspruch untermauern. Jedoch drängen nun auch die Hells Angels in die Stadt. Erst vor wenigen Wochen haben sie in Duisburg-Rheinhausen ein "Chapter" gegründet. Ermittlerkreise bewerten die Ansiedlung in direkter Nachbarschaft zu ihren Erzfeinden als "offene Kriegserklärung". Hintergrund ist der sogenannte Rockerfrieden von Hannover vor zwei Jahren, bei dem die Chefs der Hells Angels und Bandidos medienwirksam vereinbart haben, nicht im Territorium des anderen einen Club zu eröffnen — doch genau das ist in Duisburg passiert.

Verschärft wird die Situation in der Ruhrgebietsstadt durch die Ansiedlung der niederländischen Rockerbande Satudarah am vergangenen Wochenende, die mit den Bandidos eng verbunden ist. Die Polizei bewertet die Aktion als gezielte Provokation. "Die Bandidos haben die Niederländer zur Verstärkung gerufen. Da braut sich was zusammen in Duisburg. Man muss täglich mit der Eskalation der Gewalt rechnen", warnt Rettinghaus. Mit den Rockern aus dem Nachbarland, die als noch gefährlicher eingestuft werden als die Bandidos und Hells Angels, hat die organisierte Kriminalität nach Einschätzung der Polizeigewerkschaft eine neue Dimension erreicht. "Es bringt nichts, nur die Rocker in NRW zu verbieten, wir müssen europaweit die Strukturen zerschlagen", fordert Albishausen. "Wenn das nicht passiert, haben wir in NRW bald Verhältnisse wie vor einigen Jahren in Skandinavien, wo bei einer Fehde Dutzende Rocker getötet wurden."

Für den grenzübergreifenden Kampf gegen die Banden fehlt es der Polizei jedoch an ausreichend Personal und Ausstattung. "Wir brauchen dringend mehr Polizisten, sonst können wir den Kampf auf lange Sicht nicht gewinnen", sagt Rettinghaus.

(RP/pst/csi/top)
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