Streit um Beamtenbesoldung in NRW Polizist klagt in Karlsruhe gegen Rot-Grün

Aachen/Hückeswagen · Rolf Bültmann gehört zu den Beamten, bei denen die Landesregierung sparen möchte. Doch der 61-Jährige zieht vor das Bundesverfassungsgericht. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft stellte sich am Freitag in Hückeswagen Demonstranten.

Richter und Staatsanwälte demonstrieren in Düsseldorf
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Rolf Bültmann ist als Kommissariatsleiter beim Polizeipräsidium Aachen für die Fahndung nach Straftätern zuständig. Der 61-Jährige gehört zu den erfahrensten Polizisten in der Behörde und leitet ein Team von 45 Ermittlern. Jetzt will ihm die rot-grüne Landesregierung die Besoldungsanhebung verweigern. "Das lasse ich mir nicht bieten", stellt der Beamte klar. "Die Tarifpläne von Rot-Grün sind verfassungswidrig. Die Richter in Karlsruhe werden mir recht geben." Seine Beschwerde soll zur Musterklage werden.

Die Sparpläne von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mobilisieren immer mehr Beamte. Auch am Freitag musste sie sich der Kritik stellen: Rund 180 Beamte protestierten in Hückeswagen gegen die Tarifpläne der Landesregierung. Dort fand eine auswärtige Kabinettssitzung statt. "Wir haben die Schnauze voll", stand auf einem Laken, das am Eingang zum Schloss gespannt war. Hannelore Kraft nahm sich rund 15 Minuten Zeit, um mit den Demonstranten zu diskutieren. Dabei verwies sie auf die kritische Finanzsituation des Landes. Die Beamten hatten ein Jagdhorn mitgebracht, um Rot-Grün symbolisch "den Marsch zu blasen".

"In der freien Wirtschaft würde ich mehr verdienen"

Auch Rolf Bültmann, der seit 1971 im Polizeidienst ist, will die Nullrunde nicht still hinnehmen. Als Erster Kriminalhauptkommissar hat er einen Dienstgrad, der die Besoldungsstufe A 13 erhält. Er bekommt rund 3300 Euro netto im Monat. Zu wenig? "In der freien Wirtschaft würde ich mehr verdienen", ist sich der 61-Jährige sicher, der schon als junger Beamter ein mobiles Einsatzkommando leitete. Es fahndete unter anderem nach den Terroristen der "Rote Armee Fraktion" (RAF), die den damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer entführt hatten.

Seit zehn Jahren ist Bültmann Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) im Bezirk Aachen. Weitere Gehaltskürzungen will sich der Polizist jedenfalls nicht bieten lassen. "Seit 1999 wird in NRW regelmäßig auf dem Rücken der Beamten gespart", sagt er. "Ich habe seitdem einen Reallohnverlust von rund 20 Prozent eingesteckt." Nun hilft ihm die Polizeigewerkschaft, gerichtlich gegen die Tarifpläne vorzugehen. "Die Stimmung bei den Kollegen ist im Keller", erklärt Bültmann.

54 Prozent der rund 40.000 Polizisten in NRW sind von den Sparplänen betroffen. Die neuen Angestelltentarife im Öffentlichen Dienst sollen nur auf die unteren Besoldungsgruppen übertragen werden. Für zwei mittlere Gruppen ist nur eine leichte Erhöhung, für die oberen Dienstgruppen sind zwei Nullrunden vorgesehen. Die Angestellten erhalten 2013 und 2014 insgesamt 5,6 Prozent mehr Geld.

Einzelklagen werden oft abgewiesen

Der BDK bereitet derzeit eine Verfassungsbeschwerde gegen das Landesbesoldungsgesetz vor. Wenn der Landtag das Gesetz in der kommenden Woche verabschiedet hat, will der BDK den Rechtsweg einschlagen und die Beschwerde Bültmanns als Musterklage auf den Weg bringen. Meist werden Einzelklagen von Bürgern in Karlsruhe schon aus formalen Gründen abgewiesen. Doch in diesem Fall setzen die Juristen des BDK darauf, dass sich Karlsruhe des Falls annimmt.

"Grundsätzlich ist eine solche Verfassungsbeschwerde nur nach Ausschöpfen des sogenannten ordentlichen Rechtswegs zulässig", sagt Mark Fröse, Spezialist für Beamtenrecht in Düsseldorf. Im vorliegenden Fall sei aber die Voraussetzung für eine Ausnahme erfüllt. "Das liegt daran, weil in dieser Angelegenheit klar ist, dass am Ende des Instanzenwegs letztlich Karlsruhe entscheiden müsste", erklärt der Jurist.

Der Verfassungsbruch sei in diesem Fall offensichtlich. Die Notwendigkeit zum Sparen sei kein geeigneter Grund, um die Besoldung der Beamten von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abzukoppeln. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers beim Festlegen der Besoldungshöhe sei kein Freibrief, diese "nach Gutdünken" zu bestimmen, so Fröse.

(RP)
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