NRW-Wissenschaftsministerin im Interview "Unis nicht von Wettbewerb zu Wettbewerb treiben"

Düsseldorf · Die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hat Ungerechtigkeiten bei der Vergabe von Fördermitteln beklagt.

 Svenja Schulze kritisiert die Hochschul-Politik.

Svenja Schulze kritisiert die Hochschul-Politik.

Foto: dapd

NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) sprach im Interview mit unserer Redaktion über "Elite-Unis", die steigenden Studentenzahlen und die Hochschulautonomie.

NRW hat mit Aachen und Köln jetzt zwei "Elite-Unis". Was heißt das für den Wissenschaftsstandort?

Schulze Köln belegt, dass auch große Hochschulen hervorragende Forschung machen können. Für den Industriestandort brauchen wir Innovationen; dafür sind die Hochschulen entscheidend. Aber wir haben ja auch jenseits der Elite-Universitäten in der Exzellenzinitiative sehr gut abgeschnitten.

Tatsächlich? Ganz NRW hat zum Beispiel fünf Graduiertenschulen, an denen wissenschaftlicher Nachwuchs ausgebildet wird. Berlin hat neun.

Schulze Zwei Elite-Universitäten, zehn Exzellenzcluster und fünf Graduiertenschulen — das ist eine hervorragende Bilanz.

Trotzdem: Bei der Menge der Fördermittel ist NRW unterrepräsentiert.

Schulze Wir liegen im Ländervergleich auf Platz 2. Aber mit Blick auf die Finanzierung außeruniversitärer Forschung an den Max-Planck-, Fraunhofer-, Helmholtz- oder Leibniz-Instituten haben Sie recht: Hier gibt es einen strukturellen Nachteil. NRW gibt pro Jahr 80 Millionen Euro mehr für Forschungsförderung aus, als es zurückbekommt. Die Verteilung zwischen den Bundesländern ist nicht ganz fair.

Sie wollen mehr Regionalproporz?

Schulze Nein. Wir brauchen keine NRW-Quote. Ich will, dass unsere Forschungsleistung gewürdigt wird und dass die Mittel nicht nach Himmelsrichtungen verteilt werden.

2017 läuft die Exzellenz-Förderung aus. Soll es dann eine Art Elite-Liga geben oder weiter Wettbewerb?

Schulze Wir können nicht die Hochschulen von einem Wettbewerb in den nächsten treiben. Im Moment reden wir darüber, ob jemand für sechs Monate oder für ein Jahr Geld bekommt. Nötig ist eine solide Grundfinanzierung mit mehr langfristig bewilligtem Geld.

Die Zahl der Erstsemester steigt so stark, dass sie wohl erst 2045 wieder das Niveau von 2005 erreicht. Jedes Jahr werden die Zahlen nach oben korrigiert. Wieso haben die Kultusminister es nicht geschafft, das einigermaßen verlässlich vorherzusagen?

Schulze Prognosen des Studierverhaltens sind ähnlich schwierig wie Wettervorhersagen. Aber wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte, daher sind die Zahlen zunächst mal ein Erfolg und keine Bedrohung.

Das dürften manche Erstsemester anders empfinden, wenn der doppelte Abiturjahrgang an die Unis kommt.

Schulze Deswegen haben wir ein Monitoring durch das Ministerium initiiert. Wir behalten zum Beispiel den Überblick, welche Bauvorhaben sich verzögern und wo nachgesteuert werden muss.

Viele Abiturienten haben ihre Bewerbungen um einen Studienplatz geschrieben. Wird es mit der Vergabe im Wintersemester besser laufen als im vorigen Jahr?

Schulze Durch die Einigung auf den 5. August als landesweiten Stichtag für Zu- oder Absagen in Fächern mit örtlichem Numerus clausus haben wir einen ersten wichtigen Schritt gemacht.

Wird das System funktionieren?

Schulze Der Stichtag 5. August ist immer noch knapp, aber das System ist eine Verbesserung.

Was wird aus den Hochschulräten?

Schulze Ich möchte die Hochschulräte behalten und sie intensiver in die demokratischen Prozesse an den Hochschulen einbinden. Die Hochschulräte sollen stärker rechenschaftspflichtig und abberufbar werden.

Müssen die Rektorate wieder unter die Dienstherrschaft des Landes?

Schulze Das wollen wir, wie andere Themen auch, noch mit den Beteiligten diskutieren.

Rainer Kurlemann und Frank Vollmer führten das Interview.

(RP/jre)
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