Washington Obama: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Washington · Es ist sieben Uhr morgens in Washington, als Barack Obama über einen roten Teppich zu einem Mikrofon läuft, um das Abkommen mit dem Iran zu erläutern. Er spricht im East Room, dem Prunksaal des Weißen Hauses, der immer dann als Kulisse dient, wenn es wirklich Wichtiges zu verkünden gibt. Unter den Kronleuchtern hat er einst den Tod Osama Bin Ladens bekanntgegeben, nun spricht er zur Nation, um ihr eine historische, gleichwohl umstrittene Abmachung nahezubringen. Neben ihm steht Joe Biden, der Vizepräsident. Eine ungewöhnliche Geste, die unterstreichen soll, um was für Dimensionen es geht.

Es ist kein Triumphator, der da auf dem Teppich steht. Keiner, der einen großen Sieg feiert. Auch wenn die Einigung mit Teheran nach der Annäherung an Kuba den zweiten Meilenstein seiner auf Konfliktentschärfung abzielenden Außenpolitik bedeutet. Auch wenn er erstmals Handfestes vorweisen kann für seinen Ansatz, den Dialog mit den Ajatollahs zu suchen, wie er ihn schon als Präsidentschaftskandidat beschwor, damals übrigens ziemlich allein auf weiter Flur. Obama weiß, dass ihm aus dem Kongress ein eisiger Wind ins Gesicht weht. Deshalb wählt er überaus nüchterne Worte.

Deshalb bettet er die Abmachung ein in eine lange Tradition amerikanischer Realpolitik. In eine Chronik, in der sowohl demokratische als auch republikanische Präsidenten versuchten, mit Gegnern zu diplomatischen Lösungen zu kommen, etwa im Kalten Krieg mit der Sowjetunion. "Lasst uns nie aus Angst verhandeln, aber lasst uns auch nie Angst haben zu verhandeln", zitiert er John F. Kennedy. "Dieser Deal ist nicht auf Vertrauen gebaut, er ist auf Verifizierung gebaut", sagt er in Anlehnung an Ronald Reagan. Und was, fragt Obama, wäre denn die Alternative gewesen?

Keinerlei Beschränkungen für das iranische Atomprogramm, mehr Zentrifugen, keine Inspektionen, skizziert er sie stichpunktartig. Zu glauben, Teheran würde unter dem Druck der Sanktionen kapitulieren und das Programm komplett einstellen, sei unrealistisch. Endlose Strafmaßnahmen, um eine Unterwerfung zu erzwingen, hätte der Rest der Welt nicht mitgetragen. Ohne das Abkommen hätte dem Nahen Osten ein nuklearer Rüstungswettlauf gedroht. Andererseits, sagt Obama, gebe Amerika nichts auf, wenn es teste, ob das Problem friedlich gelöst werden könne. Sollte Teheran gegen seine Verpflichtungen verstoßen, würden die Sanktionen sofort wieder "zuschnappen". In einem Worst-Case-Szenario bleibe ihm ebenso wie seinen Nachfolgern im Oval Office noch immer die Möglichkeit, das Militär einzusetzen.

Der Präsident, das weiß er selber nur allzu gut, steuert mit dem Iran-Kapitel auf das nächste harte Kräftemessen mit dem Parlament zu, vielleicht auf das härteste seiner Amtszeit. 60 Tage hat die Legislative nun Zeit, um die Paragrafen unter die Lupe zu nehmen. Die Zahl der Skeptiker ist groß, vor allem, aber nicht nur unter den Republikanern, die sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus die Mehrheit stellen.

Als der israelische Premier Benjamin Netanjahu im März vor beiden Kammern vor einem "schlechten Geschäft" warnte, ohne das man besser dran sei, wurde er mit stehenden Ovationen gefeiert. Kurz darauf initiierte Tom Cotton, ein junger Senator aus Arkansas, einen offenen Brief an die Ajatollahs, für den er sich die Unterschriften von 46 Kollegen holte und den man nicht anders verstehen konnte als ein höchst undiplomatisches Störmanöver in einer delikaten Phase der Diplomatie. Damals belehrte Cotton die Iraner, wie das politische System der USA funktioniert: Einen internationalen Vertrag müsste der Senat mit Zweidrittelmehrheit ratifizieren, was mehr als unwahrscheinlich sei, während ein einfaches Abkommen schon von Obamas Nachfolger annulliert werden könnte.

Nach dem Wiener Durchbruch erneuert der Hardliner seine Kritik in Worten, die jedes Einlenken ausschließen: "Das ist ein furchtbarer, ein gefährlicher Fehler." Bereits zuvor hatte Mitch McConnell, der führende Republikaner des Senats, orakelt, Obama stehe vor einer Herkulesaufgabe, wenn er den Kongress überzeugen wolle.

Unter McConnells Parteifreunden gibt es aber auch solche, die leisere Töne anschlagen. Bob Corker, Chef des Senatsausschusses für Auswärtiges, gehört zu dieser Kategorie; auf gemäßigten Konservativen wie ihm liegen die Hoffnungen des Weißen Hauses. Sollte am Ende sorgfältigen Aktenstudiums die Erkenntnis stehen, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen, "dass wir besser dastehen", prophezeit Corker, "werden die Leute vielleicht zustimmen".

(RP)
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