Tausende Kurden und Türken demonstrieren Öcalan-Anhörung vor dem EU-Gerichtshof

Straßburg (AP). Begleitet von Demonstrationen tausender Kurden und Türken hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Dienstag in Straßburg über das Todesurteil gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan verhandelt. Der Führer der Kurdischen Arbeiterpartei machte über seine Anwälte geltend, die Türkei habe mit seiner Entführung aus Kenia und dem Prozess wegen Hochverrats gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen. Die Vertreter der Regierung in Ankara wiesen die Vorwürfe zurück. Mit einer Entscheidung des Gerichts wird in einigen Monaten gerechnet.

Rund 15.000 Kurden vor allem aus Deutschland waren laut Schätzungen der Polizei nach Straßburg gekommen, um ihre Solidarität mit Öcalan zu bekunden. Ein Großaufgebot der Polizei verhinderte Zusammenstöße mit rund 3.000 türkischen Gegendemonstranten, die im Namen von tausenden PKK-Opfern die Haltung der Regierung in Ankara unterstützten. Bis zum frühen Nachmittag verliefen die Protestaktionen friedlich. Im Gerichtssaal verfolgten etwa je 60 Öcalan-Anhänger und Angehörige getöteter türkischer Soldaten die mehrstündige Anhörung.

Öcalans Anwälte argumentierten vor den sieben Richtern, die Türkei habe gegen insgesamt zwölf Artikel der Menschenrechtskonvention verstoßen, über deren Einhaltung der Gerichtshof zu wachen hat. Der heute 51-Jährige sei verschleppt worden und habe keinen fairen Prozess gehabt. Der PKK-Führer war im Juni 1999 zum Tode verurteilt worden.

Die Vertreter der Türkei betonten das Recht der Regierung in Ankara, das Urteil vollstrecken zu können. Der Fall Öcalan falle nicht unter die Europäische Menschenrechtskonvention, das Straßburger Gericht sei nicht zuständig. Die Vollstreckung des Urteils hat Ankara bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt. Diese ist für die Türkei als Mitglied des Europarats bindend, doch hat sich das Land in der Vergangenheit bereits einmal nicht daran gehalten.

In der Türkei ist seit 1984 kein Todesurteil mehr vollzogen worden. Die Europäische Union hat deutlich gemacht, dass eine Hinrichtung Öcalans den Ambitionen des Landes auf einen EU-Beitritt schaden werde, und dringt auf eine Abschaffung der Todesstrafe.

Tausende Angehörige getöteter türkische Soldaten fordern jedoch vehement die Vollstreckung des Urteils gegen den PKK-Führer. Dem kurdischen Aufstand im Südosten der Türkei sind seit 1984 etwa 37.000 Menschen zum Opfer gefallen - davon etwa 27.000 PKK-Kämpfer, 5.000 unbeteiligte Bewohner von Südostanatolien und 5.000 türkische Soldaten.

(RPO Archiv)
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