Analyse nach der Wahl Österreichs Trend nach rechts bleibt

Wien · Alexander Van der Bellens Wahlsieg fiel deutlicher aus als erwartet, doch die große Koalition in Wien kriselt. Das spielt der FPÖ in die Karten. Die Rechtspopulisten rüsten sich schon für eine vorgezogene Parlamentswahl.

 Sieger Alexander Van der Bellen: Konnte seine Anhänger mobilisieren

Sieger Alexander Van der Bellen: Konnte seine Anhänger mobilisieren

Foto: dpa, MTF axs

Heinz-Christian Strache, der sonst stets herrisch auftrumpfende Chef der rechten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), muss nach der Bundespräsidentenwahl die ungewohnte Rolle des Trösters übernehmen. Denn auf seiner Facebook-Seite herrscht nach der Niederlage des FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer rabenschwarze Weltuntergangsstimmung.

"Das Land steht am Abgrund", schreibt ein Fan, ein anderer beweint Hofer als "Sieger der Herzen", ein dritter beschimpft die Wähler des Wahlsiegers Alexander Van der Bellen als "lächerliche Vollidioten". Strache jedoch reagiert auf das Gejammer mit einer forschen Kampfansage: "2017 wird das Jahr der Freiheitlichen! Unsere Zeit kommt!"

Statt den ersten rechtspopulistischen Staatschef in der EU haben die Österreicher am Sonntag den ersten Grünen in die Wiener Hofburg gewählt. Der überraschend klare Wahlsieg Van der Bellens hat den anti-europäischen Populisten zwar eine unerwartete Niederlage beschert. Aber wirklich besiegt sind weder Strache noch seine Bundesgenossen in Europa. Gerade in Österreich, das jetzt noch vom Ausland für seine Wahlentscheidung gefeiert wird, könnten die Rechten bei den nächsten Wahlen auf Bundes- und Landesebene reihenweise Erfolge einfahren.

Hofer: Neuer Held trotz Niederlage

2018 wäre der reguläre Termin für die nächste Parlamentswahl. Im selben Jahr wird aber auch in vier Bundesländern — Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Kärnten — gewählt. Die mächtigen Landeschefs, die sämtlich den traditionellen Regierungsparteien ÖVP (Konservative) und SPÖ (Sozialdemokraten) angehören, werden nach Einschätzung der meisten Beobachter vehement darauf dringen, dass die Bundeswahl auf Frühjahr oder Herbst 2017 vorverlegt wird — jedenfalls auf einen Termin möglichst weit weg von der nationalen Wahl. Allein schon deshalb, um nicht den geballten Wählerfrust über die in Wien regierende große Koalition aus ÖVP und SPÖ abzubekommen.

Österreich: Der Trend nach rechts bleibt
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Die "Blauen" der FPÖ rüsten für die Bundeswahl bereits mit einer Doppelspitze: Strache und dazu Hofer, der trotz seiner Niederlage als der neue Held der FPÖ gilt. Man hofft, dass ein Großteil von Hofers Popularität - er kam bei der Präsidentenwahl immerhin auf knapp 47 Prozent - auch auf die FPÖ abfärbt. Hofer hatte sich Strache noch in der Wahlnacht als "prominenter Wahlhelfer" angedient. Die verlorene Wahl habe in ihm "einen schlafenden Bären geweckt", gab er sich kampfeslustig, obwohl ihm die Enttäuschung über die Niederlage noch deutlich anzusehen war. Hofer will zunächst erneut für das Parlament kandidieren, dessen dritter Vorsitzender er derzeit ist. Auch eine neuerliche Präsidentschaftskandidatur in sechs Jahren kündigte er bereits an.

Österreich: Der Trend nach rechts bleibt
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Sollte es wirklich dazu kommen, wird Hofer für einen Sieg seine Wählerbasis jedoch noch einmal deutlich verbreitern müssen. Nach einer Analyse des Sozialforschungsinstituts Sora verdankte sein Rivale Van der Bellen den Sieg nicht zuletzt der Unterstützung vieler Frauen. 62 Prozent der Wählerinnen stimmten für ihn. Unter den Männern hatte Hofer mit 56 Prozent die Nase vorn. Generell gelang es Van der Bellen besser, seine Anhänger zu mobilisieren. Gerade diejenigen, die die Zukunft optimistisch einschätzen, stimmten für Van der Bellen. Von ihnen gingen viele zur Wahl — im Gegensatz zu den Pessimisten, die eher zu Hofer neigten und zu Hause blieben. An das Lager der Nichtwähler verlor der FPÖ-Mann 37.000 Stimmen, der siegreiche Kandidat hingegen gewann hier 114.000 Stimmen hinzu. Beim Kampf um die Wähler der konservativen ÖVP schnitt Van der Bellen ebenfalls besser ab: 55 Prozent der ÖVP-Anhänger stimmten für den ehemaligen Grünen-Chef.

Straches Chancen bleiben intakt

Grund für diesen starken Zuspruch durch konservative Stammwähler war vermutlich auch die öffentliche Unterstützung von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner für die Kandidatur Van der Bellens. Hofer machte den ÖVP-Vorsitzenden prompt mitverantwortlich für seine Schlappe. "Das war so etwas wie ein Selbstmordattentat des Herrn Mitterlehner", sagte Hofer. Damit dürfte Mitterlehner für die Freiheitlichen bei einer möglichen FPÖ-ÖVP-Koalition als nicht mehr tragbar gelten.

Eine solche Regierungskonstellation in Wien ist durch den Ausgang der Bundespräsidentenwahl im Übrigen keinesfalls unwahrscheinlicher geworden. Im Gegenteil: Straches Chancen, nächster Kanzler zu werden, sind mehr als intakt. Seit Monaten liegt die FPÖ in Umfragen mit 30 bis 35 Prozent als stärkste Partei vorne, mit dem Zugpferd Hofer ist sogar die 40-Prozent-Marke in Reichweite gekommen. Eine Regierungsbildung in Wien ohne FPÖ wäre demnach gar nicht mehr möglich. Auch ist Van der Bellens Wahlkampfaussage, er würde einen Kanzler Strache "niemals akzeptieren", wegen der beschränkten Befugnisse des Bundespräsidenten wohl nicht mehr als eine leere Drohung. Die pikante Vorstellung, dass ein Ex-Grüner einen Rechtspopulisten als Kanzler vereidigen muss, ist nicht mehr realitätsfremd.

Auch die stille Hoffnung der Regierungsparteien auf einen Machtkampf innerhalb der FPÖ dürfte sich wohl nicht erfüllen. Bereits während des Wahlkampfs waren Gerüchte aufgetaucht, der populärere und geschmeidigere Hofer wäre der bessere Kanzlerkandidat als der aggressive Strache. Die FPÖ werde sich jedoch hüten, so der Politologe Anton Pelinka, "vor der Wahl einen Führungsstreit auszutragen".

Hingegen ist wahrscheinlich, dass die völlig zerrüttete rot-schwarze Koalition vorzeitig zerfällt. Zwar hat die Wahl Van der Bellens das Klima etwas entspannt. Doch vor allem Kräfte innerhalb der konservativen ÖVP dringen auf einen Führungswechsel: Ihr Wunschkandidat als Kanzler ist der erst 30-jährige Außenminister Sebastian Kurz.

(bee)
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