Wien Rechtspopulist Favorit für die Hofburg

Wien · Erdrutschsieg für die rechtspopulistische FPÖ, historisches Debakel für die rot-schwarzen Regierungsparteien: Die Präsidentschaftswahl am Sonntag hat Österreichs Parteiensystem auf den Kopf gestellt.

 Norbert Hofer kandidiert für die FPÖ.

Norbert Hofer kandidiert für die FPÖ.

Foto: dpa, fs lb

Norbert Hofer war ein gutes Ergebnis im ersten Durchgang der Wahl durchaus zugetraut worden. Doch keine der Umfragen hatte den Präsidentschaftskandidaten der rechten Freiheitlichen Partei (FPÖ) wirklich auf der Liste. Favorit war stets der Ex-Grünenchef Alexander Van der Bellen. Die Wähler haben die Reihenfolge umgedreht: Hofer liegt mit 36,4 Prozent der Stimmen klar in Führung, mit unerwartet hohem Rückstand (20,4 Prozent) folgt Van der Bellen auf Platz zwei. So kommt es am 22. Mai bei der Stichwahl zu einem Duell ideologischer Erzrivalen: Der 45-jährige Kandidat des Rechtslagers wird vom 72-jährigen Grünen-Veteranen herausgefordert.

Wenn Van der Bellen den hohen Rückstand auf Hofer noch aufholen will, müsste fast ein Wunder geschehen. "Im zweiten Durchgang werden die Karten neu gemischt", gibt sich der Wirtschaftsprofessor kämpferisch. Hofer erzielte das bislang beste Ergebnis in der Geschichte der FPÖ und schlug damit seinen eigenen Parteichef Heinz-Christian Strache. Sein Mann ist auf bestem Weg in die Wiener Hofburg, den Amtssitz des Präsidenten, einzuziehen. Einen erstaunlichen Achtungserfolg erzielt die parteilose Kandidatin Irmgard Griss, die einzige Frau unter fünf männlichen Kandidaten: Die ehemalige Höchstrichterin kam mit 18,5 Prozent auf Rang drei und verfehlte damit nur knapp den Einzug in die Stichwahl. Griss profitierte ebenfalls wie die beiden Favoriten von der enormen Proteststimmung gegen das rot-schwarze Machtkartell, das Österreich schon so lange regiert. Die Kandidaten der Regierungsparteien haben vergeblich auf ein Wunder gehofft. Dass erstmals seit 1945 keiner ihrer Kandidaten in die Stichwahl kam ist ein historisches Desaster für das politische Establishment. So kam der ÖVP-Kandidat Andreas Khol mit 11,2 Prozent nur auf Platz vier, knapp dahinter, 0,3 Prozent weniger, landete der großkoalitionäre Mitbewerber von der SPÖ, Rudolf Hundstorfer. Nur indirekt ließen beide Kandidaten durchblicken, dass nicht sie, sondern die Regierungsarbeit abgestraft worden seien.

Wie tief der Vertrauensverlust in die Traditionsparteien schon fortgeschritten ist, zeigen zwei Bundesländerergebnisse: In der schwarzen Hochburg Vorarlberg erhielt Khol kümmerliche elf Prozent der Stimmen, im rot regierten Wien erzielte Hundstorfer bescheidene zwölf. Dabei sind beide Kandidaten keine Nobodys, sondern gelten als Urgesteine ihrer Parteien. In Vorarlberg liegt Hofer ebenfalls vorne, allerdings um fünf Prozent niedriger als im Bundesdurchschnitt; in Wien ist der Grüne Van der Bellen mit 33 Prozent klarer Sieger. Der krasse Außenseiter Richard Lugner, Inhaber eines Shoppingcenters in Wien, konnte von der Proteststimmung nicht profitieren. Der 83-jährige, der alljährlich auf dem Wiener Opernball den Hofnarren der Republik spielt, verhungerte bei 2,3 Prozent.

Der Wahlkampf für die Stichwahl in vier Wochen hat gestern bereits begonnen. Und Österreich steht am Scheideweg: Van der Bellen wird Hofer als potenziellen "Präsidenten von Straches Gnaden" attackieren, der für den Austritt aus der EU plädiert und für nationalistische Alleingänge in der Asyl- und Zuwanderungspolitik steht. Hofer wiederum sieht sich als "Beschützer der Österreicher gegen das rot-schwarze Machtkartell", das keine Antworten auf Fragen der Zukunft habe. Hofers endgültige Wahl zum neuen Bundespräsidenten deuten Beobachter als erste Etappe für FPÖ-Chef Strache in das Kanzleramt. Der jubelte gestern: "Jetzt beginnt in Österreich ein neues politisches Zeitalter." Bei der nächsten Nationalratswahl 2018 werden weder SPÖ noch ÖVP den Kanzler stellen können: In Umfragen kommen beide Parteien nur noch auf 44 Prozent, bei der gestrigen Wahl wurden sie noch einmal halbiert. Um einen Kanzler Strache zu verhindern, müssten sich SPÖ und ÖVP mit komplett neuem Personal und einem überzeugenden Zukunftsprogramm präsentieren. Nach jüngsten Umfragen sind nur 20 Prozent der Österreicher mit der rot-schwarzen Koalition "zufrieden". Und dies, obwohl Österreich in der EU das viertreichste Land ist. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) wurde in den vergangen Monaten mehrmals angezählt, in der Basis brodelt es gewaltig. Doch bisher gelang es Faymann immer wieder, seine Position als Parteichef zu festigen.

(RP)
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