Wien Österreichs rot-schwarze Koalition versucht Neuanfang

Wien · Kaum ein Jahr nach der Wahl schien Österreichs rot-schwarze Koalition bereits am Ende. Da bot der überraschende Rücktritt des Finanzministers die Chance für einen Neustart. Gestern wurde das Kabinett Faymann-Mitterlehner vereidigt.

Was ist los mit Österreich? Da hatten sich die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP mit ihrer Mehrheit die Amtsperiode von vier auf fünf Jahre verlängert und diese Einschränkung des Wahlrechts mit dem Argument verteidigt, dass man mehr Zeit zum Regieren brauche, um das Land fit für die Zukunft zu machen. Doch dann hatten sich Rote und Schwarze im ideologischen Streit um Reformen bei Steuern, Bildung und Pensionen hoffnungslos verkeilt.

Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann sowie sein Vizekanzler und Finanzminister, ÖVP-Chef Michael Spindelegger, erwiesen sich als unfähig, die Reformblockade zu lösen. Anfang voriger Woche warf Spindelegger das Handtuch, trat von allen Ämtern in Regierung und Partei zurück und eröffnete seiner ÖVP die Möglichkeit zur Personalrochade. Bereits einen Tag später wurde Reinhold Mitterlehner, ein kühler Pragmatiker, einstimmig zum neuen ÖVP-Chef und damit auch Vizekanzler gewählt. Das Finanzministerium mochte der 58-Jährige nicht übernehmen, da er Wirtschafts- und Wissenschaftsminister bleiben will. Neuer Finanzminister ist Hans Jörg Schelling, der zuletzt als Präsident des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger das immer kostspieliger werdende Gesundheitssystem umkrempelte.

Beide ÖVP-Politiker bilden ein reformfreudiges Duo, das Österreich voranbringen will. Mitterlehner übernimmt die ÖVP in einem ähnlichen Zustand wie seinerzeit Angela Merkel die CDU: Auch Österreichs Konservative müssen offener und sozialer werden, also ein Stück weit nach links rutschen, um für neue Schichten wählbar zu werden. Den Neustart hat die gesamte Koalition nötig: Laut Umfragen stehen hinter ihr nur noch 42 Prozent der Wähler; Rot-Schwarz, die dominierende Regierungsform in Wien seit 1945, hat also die Mehrheit bereits verloren.

(RP)
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