Afrin Operation Olivenzweig

Afrin · Die Türkei hat mit einer Militäroffensive gegen Kurden in Nordsyrien begonnen. Doch der Angriff auf den amerikanischen Verbündeten ist risikoreich.

Afrin: Operation Olivenzweig
Foto: C. Schnettler

Mit Panzern und Bodentruppen ist die Türkei am Sonntag mehrere Kilometer tief auf das Staatsgebiet des Nachbarn Syrien vorgestoßen, um gegen die Kurdenmiliz YPG vorzugehen. Bei der dritten und bisher risikoreichsten Militärintervention der Türkei in Syrien nahmen türkische Einheiten laut Ankara in der Gegend um das nordwestsyrische Afrin ein Dorf ein, das bisher von der YPG gehalten wurde. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte, die YPG solle aus der gesamten Region vertrieben werden. Zugleich wurde aber deutlich, dass die Intervention den Kurdenkonflikt in der Türkei selbst verschärfen dürfte. Die mit der YPG verbündete kurdische Terrororganisation PKK rief ihre Anhänger in der Türkei und anderswo zur Gegenwehr auf.

Türkische Panzerverbände und Elitetruppen rückten in der Gegend um Afrin zusammen mit Kämpfern der Freien Syrischen Armee vor. Vorausgegangen waren türkische Luftangriffe und ein Artilleriebeschuss auf YPG-Stellungen. Die Kurdenmiliz, die Afrin seit dem Jahr 2012 beherrscht, kündigte Widerstand an und warf der Türkei vor, mehrere Zivilisten getötet zu haben.

Bereits im Sommer 2016 und im vergangenen Herbst hatte Erdogan türkische Einheiten nach Syrien geschickt, um die Vergrößerung kurdischer Gebiete auf der syrischen Seite der 900 Kilometer langen Grenze zu verhindern. Nun weitet die Türkei mit der "Operation Olivenzweig" die Ziele des Konflikts aus und will die YPG aus Afrin und dem weiter östlich gelegenen Manbidsch bis auf das Ostufer des Euphrat zurückdrängen. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, auf der syrischen Seite der Grenze solle eine 30 Kilometer tiefe Sicherheitszone eingerichtet werden, um die YPG dauerhaft von der Türkei fernzuhalten.

Damit riskiert Erdogan nicht nur neue Spannungen mit den USA, die der syrischen Kurdenmiliz Waffen für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) geliefert haben und auch in Zukunft in Nordsyrien auf die YPG setzen wollen. Auch Russland, die Schutzmacht des syrischen Präsidenten Baschar al Assad, ist alarmiert: Moskau hat den Krieg in Syrien für beendet erklärt und will als Friedensbringer in Erscheinung treten. Die türkische Intervention gefährdet dieses Ziel. Frankreich beantragte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates.

Premier Yildirim bezifferte die Zahl der YPG-Kämpfer in Afrin auf bis zu 10.000 Mann. Die Gegend solle "von allen Terrororganisationen gesäubert" werden. Die YPG erklärte jedoch, die türkischen Angriffe seien zurückgeschlagen worden. Im Norden und Westen Afrins tobten schwere Gefechte.

Zum Teil entspricht Erdogans Angriff der traditionellen türkischen Doktrin, wonach eine kurdische Autonomie als Bedrohung der nationalen Sicherheit gilt. Ankara befürchtet, dass eine kurdische Selbstverwaltung im Norden Syriens der PKK neue Möglichkeiten geben könnte, über ihren syrischen Ableger YPG auf Kurden in der Türkei einzuwirken.

Beim Vorgehen gegen militante Kurden, die noch dazu von den bei vielen Türken höchst unbeliebten USA unterstützt werden, kann sich Erdogan einer breiten innenpolitischen Unterstützung sicher sein. Als größte Oppositionspartei erklärte die säkularistische CHP ihre Unterstützung für die Intervention. In der regierungsnahen Presse wird die "Operation Olivenzweig" als historischer Erfolg gefeiert. "Jetzt ist die Zeit des Sieges", titelte die Erdogan-treue Tageszeitung "Yeni Safak".

Regierungsgegner in der Türkei stellen jedoch die Frage, warum Erdogan ausgerechnet jetzt militärisch eingreift. Dem Präsidenten gehe es um die im nächsten Jahr anstehenden Wahlen, schrieb der Journalist Aydin Engin in der Oppositionszeitung "Cumhuriyet". Nationalistische Begeisterung könnte für Erdogan von Vorteil sein. Allerdings könnte die Intervention beim Nachbarn in der Türkei auch für neue Unruhe sorgen. PKK-Kommandeur Murat Karayilan rief die Kurden zur "Mobilisierung" gegen den türkischen Angriff auf Afrin auf. Im türkischen Grenzort Reyhanli schlug am Sonntag eine aus Syrien abgefeuerte Rakete ein und tötete einen Menschen,

Erdogan ist sich der Gefahr einer neuen Eskalation des Kurdenkonfliktes bewusst. Proteste gegen die Afrin-Intervention würden nicht hingenommen, sagte er am Sonntag: "Wer sich uns entgegenstellt, wird niedergewalzt."

(RP)
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