Beschluss zur Ost-West-Angleichung Die Schlacht um die Rente beginnt

Meinung | Berlin · Die Koalitionsspitzen haben auf ihrem Rentengipfel zentrale Fragen nicht beantworten können. Sollte nun im Wahlkampf ein Überbietungswettbewerb zum Thema starten, droht Unmut in der Bevölkerung.

 Rentner im Osten sollen bis 2025 das gleiche bekommen wie im Westen

Rentner im Osten sollen bis 2025 das gleiche bekommen wie im Westen

Foto: dpa, mac;cse soe dna

Vor allem die Frage, wie sich das Rentenniveau auf einem höheren als dem prognostizierten nach 2020 und nach 2030 stabilisieren lässt, konnten Union und SPD nicht klären. Damit droht die Rente zum Wahlkampfthema zu werden, was sowohl die Kanzlerin als auch Sozialministerin Andrea Nahles hatten verhindern wollen. Ein Überbietungswettbewerb der Parteien bei der Rente kann für wachsenden Unmut in der Bevölkerung sorgen, wenn Wünsche geweckt, aber hinterher aus Kosten- oder Systemgründen nicht befriedigt werden können.

Das Rentenniveau - den Anteil der gesetzlichen Rente am Durchschnittslohn - dauerhaft bei 46 Prozent halten zu wollen, wie SPD-Ministerin Nahles nun im Alleingang vorgeschlagen hat, würde verdammt teuer. Aus Beitrags- und Steuermitteln würden im Jahr 2045 nach einer ersten überschlägigen Rechnung rund 40 Milliarden Euro zusätzlich fällig. Das wie Nahles generationengerecht zu nennen, ist zynisch. Jüngere Generationen, vor allem die Jüngsten, werden die höheren Altersgelder der riesigen Babyboomer-Generation ab 2030 schultern müssen.

Die Union hat gut daran getan, hier ein Stoppzeichen zu setzen. Allerdings wäre es klüger gewesen, hätte sich die Union auf ein höheres Rentenniveau als das bisher gesetzlich festgelegte von 43 Prozent im Jahr 2030 eingelassen. Da sie das nicht getan hat, läuft sie nicht nur Gefahr, im Wahlkampf als Anti-Rentner-Partei an den Pranger gestellt zu werden. Nach der Wahl könnte es zudem jetzt noch teurer werden, auch nur einen Teil der Renten-Wahlversprechen in die Tat umzusetzen.

Nahles' Ankündigung eines Rentenniveaus von 46 Prozent selbst ist nur eine Nebelkerze, die der SPD im Wahlkampf helfen wird. Was daraus wird, wird von der künftigen Regierungskonstellation abhängen.

Die Koalition einigte sich auf eine langsame Angleichung der Ost-Renten an Westniveau zwischen 2018 und 2025. Es ist richtig, 26 Jahre nach der Einheit endlich auch die Renteneinheit zu vollziehen. Über den vereinbarten langsamen Prozess mögen viele heutige Ost-Rentner unzufrieden sein. Die Politik wird wiederkehrende Proteste von ihnen in Zukunft weiter aushalten müssen. Doch ist er aus zwei Gründen einem schnelleren Übergang vorzuziehen: Eine schnelle Anpassung bis 2020, wie sie Nahles zunächst vorgeschlagen hatte, hätte die Rentenkasse oder den Bund bei voller Jahreswirkung fast acht Milliarden Euro jährlich gekostet - Geld, das in der Finanzplanung bisher nicht vorgesehen war. Mit jährlichen Mehrkosten von jetzt etwa zwei Milliarden Euro fällt die Mehrbelastung nun geringer aus und ist leichter finanzierbar.

Zweitens: Eine schnellere Angleichung hätte zwar die heutigen Ost-Rentner sofort bessergestellt, die heutigen Ost-Arbeitnehmer jedoch auch sofort spürbar schlechter. Die bisherige Höherbewertung ihrer Rentenpunkte soll nämlich abgeschafft werden, entsprechend weniger Rente können sie in Zukunft erwarten. Wäre diese Neu-Einstufung rascher abgelaufen, wären geringere Rentenerwartungen und Unzufriedenheit von Millionen Ost-Arbeitnehmern stärker ausgefallen.

Der gravierender Nachteil dieser langsamen Lösung wird allerdings sein, dass sich nun West-Rentner über viele Jahre immer wieder fragen werden, warum Ost-Rentner höhere Rentenerhöhungen erhalten werden als sie: ein hohes Risiko für die Politik.

Richtig ist auch die stufenweise Verbesserung der Erwerbsminderungsrenten bis 2024, hier wäre allerdings eine schnellere Anpassung wünschenswert gewesen. Nicht durchsetzen konnte Nahles ihre Solidarrente für Geringverdiener: Einen Zuschuss zu deren Renten aus Steuermitteln wird es vorerst nicht geben, ein gefundenes Fressen für das linke politische Lager im Wahlkampf. Über die ganz großen Fragen, wie Rentenniveau und Beitragssätze ab 2030 stabilisiert werden können, waren ohnehin noch keine Antworten zu erwarten. Richtig wäre es aber gewesen, diese elementaren Fragen einer neuen Renten-Expertenkommission in der kommenden Legislaturperiode zu übertragen und ihr dafür klare politische Zielvorgaben zu machen.

(mar)
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