Die ostdeutschen Länder hinken hinterher Ost-Wirtschaft gleicht sich nur langsam an

Berlin · Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall hinken die ostdeutschen Länder den westdeutschen hinterher: Ihre Wirtschaftskraft liegt ein Drittel unter dem West-Niveau, bilanziert die Regierung im Jahresbericht zur deutschen Einheit. Dennoch soll der Solidarpakt 2019 auslaufen.

Iris Gleicke, die Ost-Beauftragte der Bundesregierung, will es nicht schöner reden, als es ist. Ja, die Annäherung der Lebensverhältnisse zwischen Ost- und Westdeutschland 25 Jahre nach dem Mauerfall sei zwar weit vorangeschritten, sagt die Wirtschafts-Staatssekretärin, doch es gebe auch viele "große Aber": So sei die Wirtschaftskraft Ostdeutschlands ein Drittel niedriger als im Westen, die Steuerkraft erreiche sogar nur die Hälfte des westdeutschen Niveaus, und auch die Arbeitslosenquote liege mit 10,3 Prozent fast doppelt so hoch. Immerhin bewerten in einer Umfrage des Instituts Infratest Dimap 75 Prozent der Ostdeutschen die Wiedervereinigung positiv, während dies in Westdeutschland nur 48 Prozent tun.

Wenn die Bundesregierung in ihrem gestern vorgelegten Jahresbericht zur deutschen Einheit trotzdem von einem Erfolg spricht, dann kann sie das nur dank der anhaltend massiven finanziellen Hilfe für die Ostdeutschen aus den Steuer- und Sozialkassen. Aus eigener Kraft ist die Ost-Wirtschaft weiterhin nur zu gut 50 Prozent in der Lage, die Einkommen der Ostdeutschen zu sichern, die heute im Schnitt 84 Prozent des West-Niveaus erreichen.

Der Aufholprozess war schon Mitte der 90er Jahre zum Erliegen gekommen, denn die Ost-Wirtschaft konnte allenfalls für kurze Zeit schneller wachsen als die westdeutsche. Wirtschaftsexperten malen für die Zukunft ein eher düsteres Bild: Es sei zu befürchten, dass "weite Teile Ostdeutschlands auch künftig zu den strukturschwachen Regionen gehören werden", sagt Joachim Ragnitz vom Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. Ostdeutschland werde daher dauerhaft auf hohe Transferleistungen angewiesen sein.

Die Ursachen der schwächeren Wirtschaftskraft lassen sich durch politische Maßnahmen heute nur noch schwer korrigieren. Ostdeutschland verfügt nur über wenige Großunternehmen und Firmensitze, starke industrielle Kerne wie in Bayern und Baden-Württemberg fehlen fast völlig. Investoren nutzten die neuen Möglichkeiten nach der Wende häufig nur, um "verlängerte Werkbänke mit geringer eigener Wertschöpfungstiefe" zu schaffen, sagt Ragnitz. Doch vor allem der massive Bevölkerungsschwund seit der Einheit trifft Ostdeutschland empfindlich, auch wenn Berlin junge Menschen wie ein Magnet anzieht: Es fehlen im Osten Unternehmer mit Ideen, Fachkräfte, Erfinder und wirtschaftliche Nachfrage.

Der Anteil der unter 20-Jährigen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist in Ostdeutschland heute erheblich niedriger als im Westen, dementsprechend erheblich höher ist der Altenquotient. In vielen Regionen hat der Bevölkerungsschwund zu einer solchen Entleerung geführt, dass Experten schon von "Wüstungen" sprechen. Das sind Gebiete, die dauerhaft sich selbst überlassen bleiben müssen - Schulen werden dort geschlossen, Verwaltungen zusammengelegt.

Die Politik steht damit vor einer schwer lösbaren Aufgabe: Mehr öffentliche Investitionen helfen nicht mehr, da die Infrastruktur vielerorts besser nicht sein kann. Auch die Investitionsförderung für Unternehmen bringt keine neuen Erfolge mehr. Die Transfers für die neuen Länder werden also nicht weiter sinken, sondern voraussichtlich sogar wieder steigen müssen.

Doch der Solidarpakt für die neuen Länder, da sind sich Union und SPD einig, soll wie geplant Ende 2019 auslaufen. Der Pakt soll teilweise durch ein Bündnis aller strukturschwachen Regionen in Ost und West ersetzt werden, die ab dem Jahr 2020 zusätzliches Geld erhalten sollen, fordert Gleicke. Sie geht davon aus, dass die schwachen Ost-Regionen den Löwenanteil aus einem solchen Fördertopf erhalten, in den dann die Milliarden aus dem Solidaritätszuschlag fließen sollen.

(mar)
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