London Panama: Rücktritt von Cameron gefordert

London · Der britische Premierminister hat eingeräumt, Einkünfte aus der Briefkastenfirma seines Vaters bezogen zu haben. Die öffentlichen Rufe nach seinem Rücktritt könnten auch Auswirkungen auf die "Brexit"-Debatte haben.

Fünf Tage hat es gedauert, bis David Cameron schließlich zugab, von der Beteiligung an einer Briefkastenfirma profitiert zu haben. In den Panama-Papieren hatte sich der Name seines Vaters Ian Cameron gefunden, der, bevor er 2010 im Alter von 77 Jahren verstarb, das Offshore-Unternehmen "Blairmore Holdings" betrieben hatte.

Am Donnerstagabend, bedrängt vom hartnäckigen Interviewer Robert Peston, räumte Cameron dann ein, von dieser Briefkastenfirma Einkünfte bezogen zu haben. Er habe zusammen mit seiner Frau Samantha 5000 Anteile am Fonds besessen. Die habe er im Januar 2010, wenige Monate bevor er Premierminister wurde, für 31.500 Pfund verkauft. Der Profit von rund 19.000 Pfund sei ordnungsgemäß versteuert worden.

Das Interview löste einen Sturm an Reaktionen aus. Die Nachrichtenbulletins der britischen Sender kannten keine andere Geschichte mehr. Gestern dominierte die Story die Titelblätter sämtlicher Zeitungen. Der Vizechef von Labour, Tom Watson, forderte den Premierminister auf, zurückzutreten. Auf dem Kontinent machte man sich Sorgen, ob David Cameron sich noch halten werde, und welche Konsequenzen die Affäre für Großbritanniens Verbleib in der Europäischen Union haben könnte.

Wie so oft ist es nicht die Tat, sondern die Bemäntelung, die den Schaden anrichtet. Denn niemand kann behaupten, dass Cameron etwas Illegales getan habe. Aber anrüchig ist es schon, von einem Offshore-Unternehmen, das in 30 Jahren niemals Steuern in Großbritannien zahlte, profitiert zu haben. Und das scheint wohl auch der Grund gewesen zu sein, warum sich der Premierminister die Fakten so peinlich langsam aus der Nase hat ziehen lassen.

Am Montag hieß es noch, dass die Finanzen der Familie Cameron "eine private Angelegenheit" seien. Das hat die Fragen der Presse nur befeuert. Am Dienstag sagte Cameron bei einer Pressekonferenz: "Ich besitze keine Aktien. Ich habe Erspartes, ich besitze ein Haus, das ich vermiete, und das ist alles. Ich habe keine Aktien, keine Offshore-Trusts, keine Offshore-Fonds." Die Erklärung war im Präsens gehalten. Aha, fragten sich daher die Medien, wie sieht es dann mit zukünftigen Zuwendungen aus? Weder der Premierminister, antwortete die Downing Street am Mittwoch, noch seine Frau oder seine Kinder würden in der Zukunft in den Genuss von Offshore-Fonds kommen. Und erst am Donnerstag machte der Premierminister dann öffentlich, dass er von den Steuervermeidungskünsten seines Vaters profitiert hatte.

Dabei war das offensichtlich. Cameron senior hat "Blairmore Holdings" als Briefkastenfirma in Panama angesiedelt, um nicht in Großbritannien Steuern zahlen zu müssen. Das Geschäftsmodell solcher Offshore-Unternehmen ruht auf zwei Pfeilern: Die Geldanleger bleiben anonym, und die Steuern werden minimiert. Zu Lebzeiten von Ian Cameron waren diese Steuervermeidungsstrategien nicht illegal, sind es aber mittlerweile geworden. Als Ian Cameron im September 2010 starb, hinterließ er ein Vermögen von 2,74 Millionen Pfund. Sein Sohn David erbte davon 300.000 Pfund, was unter der Schwelle der Erbschaftssteuer lag.

Der Eindruck, den die Briten jetzt von ihrem Premierminister bekommen, ist meilenweit entfernt von jenem Schlachtruf, mit dem Cameron antrat, um das drakonische staatliche Sparprogramm zu begründen: "Wir sitzen alle in einem Boot." Die Erziehung von David Cameron, der das exklusive und teure Internat Eton besuchte, haben die Einkünfte seines Vaters aus "Blairmore Holdings" ermöglicht. Seine Erbschaft, so hat es der Premier selbst nicht ausschließen können, resultiert aus Profiten von Steuervermeidung.

Der Imageschaden ist enorm, nicht zuletzt, weil Cameron in der Vergangenheit wiederholt eine "aggressive Steuervermeidung" scharf verurteilt hat. "Der Premierminister", kritisierte ihn Labour-Vize Tom Watson, "hat die Handlungen jener, die in solchen komplexen Unternehmen investiert haben, als 'moralisch falsch' bezeichnet. Ich bin sicher, er wird jetzt freiwillig erwägen, das Geld zu zahlen, das in seinen eigenen Worten dem Finanzamt geschuldet ist." Immerhin hat David Cameron jetzt gelobt, seine Steuererklärung der vergangenen zwei Jahre öffentlich zu machen.

Obwohl es Rufe nach Rücktritt gibt, dürfte der Premier den Sturm überstehen. Allerdings steht der Vorwurf der Heuchelei im Raum. Labours Schatten-Arbeitsminister Owen Smith sagte, dass es Zweifel an dessen Vertrauenswürdigkeit gebe und forderte ihn auf, Details seiner Investitionen in der Vergangenheit zu publizieren.

Für die "Brexit"-Anhänger ist die Affäre dagegen ein Glücksfall. Denn die Blairmore-Geschichte bedient ihr Narrativ: Dass die EU das Projekt der privilegierten und auf Eigennutz bedachten Eliten sei. Sollte sich, sorgte sich der "Economist", die Pro-EU-Kampagne das Hauptopfer sein.

(RP)
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