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Analyse Der Papst und Putins Patriarch

Havanna · Heute trifft Franziskus in Havanna Kyrill I. Es ist das erste Treffen der Vertreter beider Kirchen seit der Spaltung vor fast 1000 Jahren. Aber es wird auch eine diplomatisch und politisch brisante Begegnung werden.

Papst Franziskus trifft Kyrill I. in Havanna
Foto: Giorgio Onorati

Natürlich muss man das Treffen "historisch" nennen. Was denn sonst, wenn sich mit Papst Franziskus und Kyrill I. die Oberhäupter jener christlichen Kirchen begegnen, die seit der Spaltung eigene Wege gegangen sind. Fast 1000 Jahre liegt das Schisma nun zurück, und das ist selbst für Kirchenverhältnisse eine imposante Zeitspanne. Auch darum hat allein die Ankündigung des Treffens mit dem Moskauer Patriarchen der Euphorie freien Lauf gegeben: kirchenhistorisch wird das Gipfeltreffen als Paukenschlag gesehen und theologisch zum Brückenschlag zwischen der römisch-katholischen Kirche und der Orthodoxie erklärt. Oft scheint darin die Hoffnung mitzuschwingen, dass ökumenische Fortschritte mit der Orthodoxie den Traum von einer Kircheneinheit greifbar werden lassen.

Manches dürfte zu hoch gegriffen sein für ein Treffen, das einer zweijähriger Vorbereitungszeit bedurfte und für das genau zwei Stunden angesetzt sind - in einem Gebäude des José-Martí-Flughafens von Havanna. Papst Franziskus ist bekannt auch für seinen Feinsinn, Botschaften mit symbolischen Handlungen zu transportieren. Ein solch profaner Ort der Durchreise in einem kommunistischen Land trägt nicht die Handschrift des Papstes. Dieser hat dann auch versucht, die Begegnung auf die Ebene eines Freundschaftstreffens zu holen. "Ich habe lediglich gesagt, ich möchte meine orthodoxen Brüder treffen und umarmen. Das war alles", ließ er verlauten.

Eine schriftliche Erklärung aber soll es geben, die natürlich auch längst vorbereitet ist und nur noch auf zwei Unterschriften wartet. Viele freundliche Worte dürften darin zu finden sein. Zu einem gemeinsamen Gebet aber wird es schon nicht mehr kommen.

So ist der Handschlag beider Kirchenoberhäupter vor allem ein diplomatischer und durchaus heikler Akt. Denn Kyrill gilt als ein treuer Diener und eine segensreiche Marionette des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Schon jetzt dürfte sich der Kreml-Chef über all die Bilder aus Havanna freuen - von den beiden friedensstiftenden Männern aus Rom und eben auch Moskau. In Zeiten des syrischen Krieges sind solche Dokumente Gold wert. Ohnehin wird gemutmaßt, dass dieses Treffen auf Kuba unter anderem dadurch möglich wurde, dass der Vatikan sich zum Bürgerkrieg in Syrien bislang auffallend in Zurückhaltung übte.

Es hat immer wieder Annäherungen beider Kirchen gegeben. So hatte Johannes Paul II. vor allem die Orthodoxie im Blick, wenn er von Ökumene sprach. Doch der Graben wurde mit dem Zerfall der alten Sowjetunion wieder deutlich tiefer. Denn jetzt traten die mit Rom unierten Kirchen wieder stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Auch wurden alte Rechte und besonders früherer Besitz von den Orthodoxen zurückgefordert. Zum Eklat der Beziehungen kam es 2002, als vier katholische Diözesen in Russland errichtet wurden und in Konkurrenz zur orthodoxen Kirche zu treten schienen. Mit dem Vorwurf der Missionierung ist Rom seither mehrfach konfrontiert worden. Es geht also auch um Selbstbehauptung der Orthodoxie, die in mehr als ein Dutzend unabhängige Kirchen gespalten ist. Die größte von ihnen ist noch die russische - mit etwas mehr als 100 Millionen Gläubigen.

In diesem Zwist der Christen geht es vor allem um Macht. Denn theologisch sind sich beide Kirchen viel näher als etwa Katholiken und Protestanten. Allerdings fühlen sich die Orthodoxen näher am ursprünglichen Glauben und dokumentieren dies in einer überaus feierlichen und zum Teil ausgedehnten Liturgie. An Hochfesten können Messen eine ganze Nacht in Anspruch nehmen. Aber: Orthodoxe Priester dürfen vor ihrer Ordination noch heiraten; nur Bischöfen ist ein zölibatäres Leben vorgeschrieben. Doch theologische Fragen dürften in der gemeinsamen Erklärung von Havanna ohnehin keine Rolle spielen.

Das Treffen heute mit Kyrill I. ist nur ein beachtenswerter Prolog der neuen päpstlichen Reise, die ihn ins lateinamerikanische Mexiko führt und die auf dem Papier fast wie nach einem Heimspiel des aus Argentinien stammenden Pontifex klingt. Zumal Mexiko - nach Brasilien - als das Land mit der katholischsten Bevölkerung gilt. Offiziell heißt es, dass sich 83 Prozent der 120-Millionen-Nation zu Rom bekennen; andere Umfragen nennen 76 Prozent. Doch spiegeln solche Wasserstandsmeldungen in Glaubensfragen noch lange nicht das katholische Leben im Land wider. Zwar gehört die Marienverehrung zu einer Art Grundausstattung vieler Mexikaner; doch herrscht auch durch die lange Zeit extrem kirchenfeindlicher Politik ein ausgeprägter Antiklerikalismus. So war zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach der mexikanischen Revolution der Kirche ihr Status als juristische Person aberkannt worden. Die konservative katholische Kirche in Mexiko hält sich aus der Politik heraus und verliert zunehmend an Einfluss. Das zeigt sich auch an den Wertvorstellungen der Menschen: 82 Prozent akzeptieren unverheiratete Paare, 50 Prozent tolerieren gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Und: 78 Prozent erwarten vom lateinamerikanischen Papst Reformen.

Franziskus ist die Kirche Mexikos zu weit vom Volk entfernt. Dies hat er unmissverständlich den Bischöfen bei deren Ad-limina-Besuchen auch schriftlich mit auf den Heimweg gebeben. Mit seiner Reise scheint er auch zeigen zu wollen, was seelsorgerische Nähe meinen könnte: Er besucht Elendsviertel, Gefängnisse und Grenzstädte mit hoher Kriminalität. Den mexikanischen Bischöfen behagt diese Route nicht. Mit ihr wird zu oft der Finger in die Wunden des Landes gelegt. Nur umweltpolitisch wird der Papstbesuch kein Lehrstück sein: Fünf "Papamobile" sollen im Land für Franziskus bereitstehen.

(los)
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