Scheidung auf katholisch Papst Franziskus stößt selbst enge Mitarbeiter vor den Kopf

Rom · Der Papst wagt beim Thema Eherecht einen Alleingang und stößt dabei selbst enge Mitarbeiter vor den Kopf. In der Kurie malen inzwischen einige das Gespenst einer neuen Kirchenspaltung an die Wand.

Papst Franziskus wagt Alleingang beim Thema Eherecht
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Das Thema klingt sperrig, ist für die katholische Kirche aber hochexplosiv. Das zeigen die Reaktionen aus der römischen Kurie auf die von Papst Franziskus verabschiedete Reform zur Vereinfachung und Beschleunigung von Ehenichtigkeitsverfahren. "Das ist die Scheidung auf katholisch", behauptet ein hoher Prälat. "Franziskus hat seine Maske fallen lassen", sagt ein anderer Monsignore.

Kern der von einer Sonderkommission vorbereiteten Reform ist ein nicht länger als 30 Tage dauerndes Schnellverfahren zur Feststellung der Nichtigkeit katholischer Ehen unter Aufsicht eines Bischofs. Das Eilverfahren soll nur bei eindeutiger Nichtigkeit und wenn sich die Partner einig sind zur Anwendung kommen. Franziskus will damit Gläubige unterstützen, die unter den manchmal Jahre dauernden Nichtigkeits-Prozessen leiden. Offensichtlich steht dieses Bestreben mit dem katholischen Dogma der Unauflöslichkeit der Ehe in Konflikt. Denn im Verständnis der Kirche ist die Ehe ein Sakrament, Abbild des Bundes Gottes mit den Menschen. Und der ist unkündbar.

Eine Mehrheit der Bischöfe hatte sich bei der Familiensynode im vergangenen Jahr für die Beschleunigung der Prozesse ausgesprochen, ein Schnellverfahren durch den Bischof war aber umstritten. Denn allzu schnell wieder zu trennen, was Gott eigentlich für immer verbunden hat, erweckt leicht den Anschein einer Kapitulation vor den selbst aufgestellten Regeln. Anfang Oktober kommen die Bischöfe erneut zu einer Synode zusammen. Doch über die Ehenichtigkeitsverfahren gibt es nun nichts mehr zu diskutieren. Seine Heiligkeit hat bereits verfügt.

Dieses Vorgehen stößt viele Mitarbeiter des Papstes vor den Kopf. Alle möglichen Instanzen seien bei der Entscheidung im Vatikan übergangen worden, allen voran die Synode und die Glaubenskongregation, aber auch die juristische Abteilung. Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, sei "stinksauer", weiß ein Kurienmann. Müller selbst wollte sich gestern nicht äußern. Aus seinem Umfeld hieß es jedoch, man stehe vor "drei Wochen Kampf". Die Synode, in der die Bischöfe um Themen wie wiederverheiratete Geschiedene, Öffnung gegenüber Homosexuellen, aber auch den künftigen Kurs der katholischen Kirche insgesamt ringen, wird vom 4. bis 25. Oktober dauern.

Teilnehmen werden nicht nur die Delegierten der Bischofskonferenzen aus aller Welt, sondern auch vom Papst berufene Mitglieder sowie die Chefs der Kurienbehörden. Müller ist natürlich mit von der Partie. Erst vor Wochen bezeichnete er es als seine Aufgabe als Präfekt der Glaubenskongregation, das Pontifikat "theologisch zu strukturieren". Die Anspielung auf ein von Franziskus ausgelöstes dogmatisches Chaos war kaum zu überhören. Nun warnte Müller bei einem Vortrag in Regensburg auch vor einer Kirchenspaltung wie im Jahr 1517. Man müsse jetzt "sehr wachsam sein und die Lektion der Kirchengeschichte nicht vergessen". Der Ton wird rauer.

Wie brisant das Thema ist, zeigt auch die Tatsache, dass ein Kurienpräfekt in den vergangenen Tagen den zweiten Mann im Vatikan, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, per Brief anflehte, die Publikation der Reform zu verhindern. Der Kardinal argumentierte, die Synode dürfe keinesfalls übergangen werden. Jede Art von Kompromiss rücke sonst in weite Ferne. Vergeblich. Jene, die stärker Rücksicht auf die weltliche Realität nehmen wollen, und die Verteidiger der reinen Doktrin prallen aufeinander.

Papst Franziskus als Wachsfigur in Paris
5 Bilder

Papst Franziskus als Wachsfigur in Paris

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Im Kampf um die Kirche haben beide Lager im Klerus, Konservative und Liberale, ein Bedürfnis nach Identifikationsfiguren. Während der emeritierte deutsche Kardinal Walter Kasper zusammen mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, Meinungsmacher auf der liberalen Seite sind, suchen die Traditionalisten noch nach Wortführern. Nach der Synode im vergangenen Herbst hatte der Papst seinen mutigsten Gegner, den erzkonservativen US-Kardinal Raymond Leo Burke entmachtet, der diesmal nicht bei der Synode dabei sein wird. Einen Nachfolger scheint er aber im afrikanischen Kurienpräfekten Kardinal Robert Sarah gefunden zu haben. Der bekräftigte, "dass die Kirche von Afrika sich jeder Form von Auflehnung gegen das Lehramt Christi und der Kirche widersetzen wird". Das sind eindeutige Worte, die nach der jüngsten im Eiltempo durchgepeitschten Reform noch einmal bedrohlicher klingen. Die deutschen Bischöfe versuchen bereits zu beruhigen. Er rechne nicht mit konkreten Ergebnissen bei der Synode, sagte Kardinal Marx. Es gehe auf ihr auch gar nicht darum, die Kirchenlehre zu verändern.

Bei den Ehenichtigkeitsverfahren geht es um die Frage, unter welchen Umständen gläubige Ehepartner den mit Gott geschlossenen Bund wieder verlassen können. Die Kirche löst dieses Problem seit Jahrhunderten mit einem juristischen Kniff und qualifiziert solche Ehen von vornherein als nicht existent. Bislang mussten mehrere Instanzen bei der Feststellung dieser Nichtigkeit durchlaufen werden, diese Notwendigkeit fällt nun weg. Außerdem genügt es fortan, etwa "mangelnden Glauben", "sofortige Untreue" oder eine Abtreibung nachzuweisen.

Im Jahr 2013 wurden gerade einmal 740 katholische Ehen in Deutschland für nichtig erklärt, weltweit waren es 47 000. Die Zahlen könnten durch das Schnellverfahren nach oben schießen. Der Papst, so sind sich seine Kritiker sicher, agiert im Alleingang. Ob er mit seiner Blitzreform den Effekt einer "Wasserbombe" erzielt, die vor dem Bischofstreffen einige Lunten löscht, wie die Zeitung "La Stampa" spekuliert, ist dabei die eine Möglichkeit. Die andere ist, dass die Dogmatiker nun noch kompromissloser werden.

(RP)
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