Edinburgh Neuer Anlauf für schottische Unabhängigkeit

Edinburgh · Das Parlament in Edinburgh erteilt Regierungschefin Nicola Sturgeon das Mandat für Verhandlungen mit London.

Schottland macht Ernst mit einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit von Großbritannien. Nur einen Tag vor der heutigen EU-Austrittserklärung hat das schottische Parlament gestern einem erneuten Referendum zur Trennung von Großbritannien zugestimmt.

Mit einer Mehrheit von 69 zu 59 Stimmen erteilten die Abgeordneten in Edinburgh Regierungschefin Nicola Sturgeon das Mandat für die Verhandlungen mit London. Außer ihrer Schottischen Nationalpartei (SNP) votierten auch die schottischen Grünen für das Referendum.

"Schottland steht, wie das übrige Vereinigte Königreich, an einem Scheideweg", sagte Sturgeon. Der Brexit werde Auswirkungen auf Handel, Investitionen, Lebensstandard und Gesellschaft haben.

Die konservative Parteichefin Ruth Davidson hingegen stellte sich hinter die britische Premierministerin Theresa May und erklärte, die Schotten wollten nicht noch einmal eine solche Spaltung und solchen Streit wie beim letzten Referendumswahlkampf erleben. "Es ist nicht angemessen, ein Referendum abzuhalten, während die Leute nicht wissen, wie die künftige Beziehung zwischen Großbritannien und der EU aussehen wird", pflichtete ihr der britische Schottlandminister David Mundell bei. Die Abstimmung war ursprünglich in der vergangenen Woche geplant. Sie war aber wegen des Terroranschlags vor dem Parlament in London verschoben worden. Sturgeon will ihre Landsleute zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 über die Loslösung von Großbritannien abstimmen lassen - also noch vor dem Brexit. Dafür braucht sie noch die Zustimmung aus London.

Theresa May machte bereits klar, dass sie vor dem EU-Austritt Großbritanniens nicht über eine Volksabstimmung in Schottland reden will: "Jetzt ist nicht die Zeit." May will sich ganz auf die Austrittsverhandlungen mit der EU konzentrieren. Heute gibt sie dafür den Startschuss.

Beide Politikerinnen schalten auf stur. Es ist eine vertrackte Situation, denn ohne die Zustimmung aus London ist ein rechtlich bindendes Referendum in Schottland nicht möglich. Anlass für die Volksabstimmung über die Trennung vom Königreich ist Mays harter Brexit-Kurs. Schottland will zumindest im europäischen Binnenmarkt bleiben. May lehnt einen solchen Sonderweg kategorisch ab. Sie stellte Edinburgh aber zusätzliche Kompetenzen in Aussicht.

Erst im Jahr 2014 waren die Schotten zu den Wahlurnen gerufen worden, um über eine Loslösung von Großbritannien abzustimmen. Eine Mehrheit von rund 55 Prozent der Wähler hatte sich damals dagegen ausgesprochen.

Mit dem geplanten britischen Austritt aus der EU und ihrem Binnenmarkt sieht die schottische Regierung die Voraussetzungen aber als verändert an. Rund 62 Prozent der Schotten hatten beim Brexit-Referendum im Juni 2016 für den Verbleib in der EU gestimmt.

Fraglich ist, ob es bei einem erneuten Referendum für eine Mehrheit für die Unabhängigkeit reichen könnte. Jüngste Umfragen deuteten bislang daraufhin, dass die Gegner einer Abspaltung weiterhin in der Mehrheit sind.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte gestern, es handele sich um eine nationale Entscheidung, die nicht von außen beeinflusst werden sollte. Er sagte aber auch: "Es ist offensichtlich, dass wir alle miteinander ein Interesse daran haben, dass es in Europa möglichst weniger Grenzen und nicht mehr gibt."

(dpa)
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