Euro-Kritiker Peter Gauweiler erklärt seinen Rücktritt

München · Die Gräben waren letztlich zu tief: Im Streit mit CSU-Chef Horst Seehofer schmeißt Parteivize Peter Gauweiler die Brocken hin und kommt damit wohl seiner drohenden Abwahl zuvor. Allerdings stürzt der streitbare Euro-Rebell seine Partei in ungeahnte Probleme.

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Kein Wort des Bedauerns, kein einziges. Peter Gauweiler, einer seiner vier Stellvertreter, schmeißt hin - doch CSU-Chef Horst Seehofer lässt nur in wenigen dürren Zeilen erklären, dass er Gauweilers Entscheidung "respektiere". Ein kurzer Dank noch "für die geleistete Arbeit für unsere Partei", das war's, aus.

Die knappen Zeilen zeigen: Es ist ein Abgang im Streit. Zu tief waren die Gräben zwischen Gauweiler und der übrigen Parteiführung, allen voran Seehofer, zuletzt geworden. So tief, dass eine Wiederwahl Gauweilers auf dem Parteitag im Herbst ohnehin quasi ausgeschlossen erschien. Und so tief, dass eine weitere Zusammenarbeit offenbar schon jetzt keinen Sinn mehr macht. Dass Gauweiler seiner drohenden Abwahl zuvorkommt, dürfte für Seehofer einerseits eine Erleichterung sein. Andererseits stellt dies die CSU vor ungeahnte Probleme.

Jedenfalls hat Seehofer die Machtfrage klar für sich entschieden, die er in der letzten Parteivorstandssitzung vor drei Wochen selbst gestellt hatte: "Ihr oder ich" - so schleuderte er es nach Teilnehmerangaben Gauweiler und Peter Raumsauer entgegen.

Darum ging es: In der Bundestagsabstimmung über die Verlängerung der Griechenland-Hilfen hatte etwa jeder fünfte CSU-Abgeordnete mit Nein gestimmt. Darunter auch die beiden stellvertretenden Parteichefs Gauweiler und Ramsauer. Und das, so schimpfte Seehofer, obwohl er selbst zuvor mehrfach um Zustimmung gebeten habe. Es war ein Rüffel, der an Deutlichkeit kaum zu überbieten war. Mucksmäuschenstill sei es in der Sitzung gewesen, wurde erzählt.

Und genau das wollte Gauweiler nicht auf sich sitzen lassen. Deshalb bat er vor wenigen Tagen um ein Gespräch mit Seehofer, in dem er diesem seinen Rücktritt ankündigte. In seiner Rücktrittserklärung greift der 65-Jährige den Parteivorsitzenden - ohne ihn namentlich zu nennen - nun scharf an.

"Von mir ist öffentlich verlangt worden, dass ich - weil CSU-Vize - im Bundestag so abstimme, dass ich mich für das Gegenteil dessen entscheide, was ich seit Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht und vor meinen Wählern vertrete und was ich als geltenden Inhalt der CSU-Programme verstehe", schreibt Gauweiler. Dies sei mit seinem Verständnis der Aufgaben eines Abgeordneten unvereinbar. Er habe auch eine Verantwortung gegenüber dem Volk.

Mit Gauweilers Rücktritt ist auch ein Experiment Seehofers gescheitert: 2013 erst wurde der erklärte Kritiker des Euro-Krisenkurses, der seit 2002 für die CSU im Bundestag saß, zum Parteivize gewählt - und zwar auf Empfehlung Seehofers. Gauweiler sollte die von der "Alternative für Deutschland" ausgehende Gefahr für die CSU eindämmen. Ergebnis war allerdings das schlechteste CSU-Europawahlergebnis der Geschichte.

Schon nach der Wahl im Mai 2014 machten viele in der CSU ihrem Unmut über Gauweiler Luft. "Es muss Schluss sein mit dem Genörgel", forderte etwa der neue EVP-Fraktionschef im Europaparlament, Manfred Weber. Gauweiler isolierte sich aber auch anderweitig, etwa indem er die Auslandseinsätze der Bundeswehr als verfassungsrechtlich fragwürdig bezeichnete.

"Eine Aktivität, die unserer Verfassungslage in nichts entspricht", urteilte er über das Afghanistan-Mandat. Und auch ein anderer Auftritt Gauweilers ist in der CSU bis heute nachhaltig in Erinnerung: seine Rede beim politischen Aschermittwoch 2014, in der er ungewöhnlich Russland-freundliche Töne anschlug.

Das freilich wird der CSU möglicherweise fehlen: Gauweiler ist ein Bierzelt-Redner alter Schule, der seine Zuhörer zu begeistern weiß. Und ganz sicher fehlen dürfte der Partei einer wie Gauweiler, der die Brüssel-, Euro- und Griechenland-kritische Flanke abdeckt. "Eine nicht kleine Minderheit in der CSU ist jetzt irritiert", sagt einer aus dem Vorstand, der von einer "gefährlichen Situation" für die CSU und Seehofer spricht: Drohen nun CSU-Anhänger zur AfD abzuwandern? AfD-Chef Bernd Lucke hat schon eine Einladung an Gauweiler ausgesprochen.

Viele in der Partei verwundert Gauweilers Schritt nicht. "Ein Gauweiler wartet nicht ab, bis er geschlachtet wird, sondern inszeniert den großen Abgang - zum Schaden Seehofers und der CSU", sagt ein CSU-Vorstand. Und fügt mit Blick auf Seehofer und Gauweiler noch hinzu: "Man hätte es auch anständig zu Ende bringen können."

(dpa/AFP)
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