Analyse Piraten machen sich klar zum Kentern

Düsseldorf · Die Piratenpartei will 2017 ins Parlament. In NRW hat sie sich binnen weniger Jahre selbst entzaubert und scheint bei der nächsten Landtagswahl keinerlei Chancen mehr zu haben. In Umfragen kommt sie nur noch auf ein Prozent.

Kraftstrotzend sind die Piraten 2012 in den NRW-Wahlkampf gezogen. Sie galten damals als junge, frische Gruppierung, die das Zeug dazu hat, den etablierten Parteien einen gehörigen Schrecken einzujagen. "Klarmachen zum Ändern", lautete die Parole der neuen Wilden, die auf Anhieb 7,8 Prozent der Stimmen erreichten und als fünfstärkste Kraft mit 20 Abgeordneten in den Düsseldorfer Landtag einziehen konnten.

Viel hat sich seither geändert, die Partei zergeht zwischen mangelnder Profilschärfe und Personalstreitigkeiten. In diesem Jahr kam die Partei bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und Bremen nur noch auf 1,6 und 1,5 Prozent. Auch in NRW geben Umfragen ihr gerade noch ein Prozent der Wählerstimmen.

Der Bundesparteitag in Würzburg am Wochenende sollte die Aufbruchsstimmung wecken. Der Parteivorsitzende Stefan Körner wurde im Amt bestätigt und setzt bei seiner Rosskur auf Altbekanntes wie Digitalisierung, Datenschutz und einen transparenten Staat. Sein Ziel ist es, bei der Bundestagswahl in zwei Jahren die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen. Bis dahin muss er seine Partei zur Professionalität erziehen: Auf Parteitagen und in der Kasse der NRW-Piraten herrschte zeitweise Chaos. Kopfschütteln rief der Beschluss hervor, Kindern ab zehn Jahren auf Parteitagen ein Stimmrecht zu geben.

Auch im NRW-Landtag musste sich die bunte Truppe mit dem organgefarbenen Parteilogo erst einmal sortieren, was nicht ohne Reibereien und Frust ablief. Der europapolitische Sprecher der Piratenfraktion, Nico Kern, ätzte: "Jede Waldorfschule ist im Vergleich zu uns eine straff geführte Kaderorganisation." Der Abgeordnete Robert Stein kritisierte den Linkskurs der Fraktion unter der Führung von Joachim Paul. Im August vorigen Jahres trat Stein aus und wechselte zur CDU-Fraktion.

Die Piraten-Fraktion ist vor allem durch Fehltritte aufgefallen. "Aus Langeweile über die Debatte" twitterte die Abgeordnete Birgit Rydlewski aus dem Plenarsaal Intimitäten. Ihr Fraktionskollege Michele Marsching ließ seinem Unmut über den Parlamentsbetrieb freien Lauf: "Wir lassen uns von diesem System Landtag vereinnahmen", stöhnte er und setzte hinzu: "Mir reicht's jetzt."

Getoppt wurde der Frust der Truppe im vorigen Jahr durch die Attacke von Daniel Düngel gegen den Landtagsbetrieb: "Die anderen Parteien sind unsere Gegner. Sie wollen nicht dieses kranke System verändern. Sie wollen Pfründe sichern." Düngel war nicht irgendwer, sondern einer der vier Vizepräsidenten des Landtags, die rund 13 000 Euro brutto pro Monat verdienen und denen Sekretariat sowie Dienstwagen mit Fahrer zur Verfügung stehen.

Wenig später wurde bekannt, dass er ein Steuerproblem hatte und Haftbefehle gegen ihn vorlagen. Düngel musste zurücktreten, behielt aber sein Abgeordnetenmandat und wurde familienpolitischer Sprecher der Fraktion.

Als solcher hat er unlängst in der Debatte um die Erweiterung des Ehebegriffs gefordert, "polyamoröser Verantwortungsgemeinschaften" zu berücksichtigen - gemeint ist das eheliche Zusammenleben von mehr als zwei Personen.

Der Posten des Landtagsvizepräsidenten ist immer noch vakant. Die Piraten setzten kurz vor der Sommerpause die Abstimmung im Landtag durch. Das Ergebnis war ein Desaster: Nur 32 der insgesamt 237 Abgeordneten stimmten für die Piratin Monika Pieper als Landtagsvizepräsidentin.

"Haben Sie erstmal ein schlechtes Image, dann tun Sie sich schwer, wieder nach oben zu kommen", sagt der Trierer Parteienforscher Uwe Jun. "Die Piraten sind jetzt mit dem Label der zerstrittenen, unfähigen, amateurhaften Laienschauspieler behaftet." Aus eigener Kraft werde es schwer für die Piraten, nicht in der Versenkung zu verschwinden. Dann heißt die Parole doch eher: "Klarmachen zum Kentern!"

(RP)
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