Die jüngste Abgeordnete Plötzlich im Bundestag

Berlin · Eben noch war die 26-jährige Ronja Schmitt eine ganz normale Studentin, nun ist sie die jüngste Abgeordnete im Parlament. Die CDU-Frau rückte für den verstorbenen Andreas Schockenhoff nach.

Die Nachricht sei ein großer Schock gewesen, erinnert sich die junge Frau mit der modisch-schwarzen Brille. Völlig überraschend war der erfahrene und bekannte CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff (57) gestorben. Und Ronja Schmitt war klar, dass sich ihr Leben sehr schnell ändern würde. Die 26-Jährige ist nun plötzlich Abgeordnete - noch dazu die jüngste im Parlament.

Manche warten Jahre und bekommen dann doch keine Chance. Und so entschied sich auch Schmitt, nicht auf gepackten Koffern zu sitzen, sich vielmehr in den Abschluss ihres Wirtschaftsstudiums zu stürzen. Nach dem Abitur hatte sie zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr an einem Stuttgarter Krankenhaus eingelegt, dann in Tübingen und Lund (Schweden) ein Bachelor-Studium absolviert. Nun sollte ein Doppelmasterstudium in Hohenheim und Pavia zum optimalen Sprungbrett in den Beruf werden. Doch dann starb Schockenhoff. Und bei Schmitt klingelte das Telefon. Am anderen Ende war die Landeswahlleiterin mit der Ankündigung, dass sie umgehend Post bekommen würde: die amtliche Mitteilung, dass sie Abgeordnete des Bundestages sei, wenn sie nicht ablehne.

Die Studentin beriet sich mit Eltern und Freunden - und entschied sich, das Abenteuer der großen Bundespolitik zu wagen. Freundlich, aber zurückhaltend und konzentriert darauf, bloß keinen Fehler zu machen, gehört sie erkennbar zu der vorsichtigen Fraktion. Wo andere vielleicht ein Fass aufmachen und jubelnd ins Hohe Haus ziehen, verabredete sie sich zu einem dezenten Treffen anlässlich ihres Vorsatzes, das Mandat "in Demut anzunehmen". Vielleicht auch, weil ihr direkt die kritischen Stimmen in Schwarzwald und Umgebung zu Ohren kamen, ob so ein "junges Ding" die richtige Zugkraft besitze, um in Baden-Württemberg zu punkten.

2013 hatte Schmitt als Landesvorsitzende des Rings Christlich-Demokratischer Studenten die CDU-Mutterpartei unterstützt und war auf Platz 19 der Landesliste fixiert worden. Gewöhnlich kein Rang, der ins Parlament führt. Doch dieses Mal "zog" die Liste überraschend bis Platz 17. Als dann unvorhergesehen Annette Schavan, die frühere Bildungsministerin, Botschafterin im Vatikan wurde und deshalb aus dem Bundestag ausschied, war Schmitt bewusst, dass sie "die Nächste" sein würde.

Dennoch ist die Devise "Hoppla, jetzt komm ich" von Ronja Schmitt ungefähr so weit entfernt wie eine Münchner Oktoberfest-Schweinshaxe vom Bionade-Veganer im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Und so erinnert sich die junge Frau voller Respekt an den Moment, als sie zum ersten Mal als Abgeordnete den Plenarsaal betrat. "Total aufregend" sei das gewesen. Im Fernsehen wirke die Architektur eher steil. "Wenn man selbst im Plenarsaal sitzt, kommt es einem doch flacher vor."

Mehrere Umzüge waren nötig, bis Schmitt im sechsten Stockwerk des Paul-Löbe-Hauses ihr neues Büro bekam. Schockenhoff hatte viele Funktionen und einen größeren Mitarbeiter- und Raumstatus. Ein mittleres Nachrück-Manöver setzte ein. Der eine übernahm den stellvertretenden Fraktionsvorsitz für Außenpolitik, die andere die dadurch freiwerdende Position, auch die Ausschüsse wurden am Rande neu zusammengesetzt - und am Ende wurde für Schmitt sogar im attraktiven, weil alle Politikbereiche umfassenden Europa-Ausschuss ein Sitz als ordentliches Mitglied frei. Das wollte sie, das lag ihr - als Italien-Studentin ganz besonders, und bald gehörte sie auch der deutsch-italienischen Parlamentariergruppe an. Gefreut hat sie sich, dass so viele "alte Hasen" sie mit offenen Armen aufnahmen und ihr wichtige Tipps gaben. Auch von ganz prominenter Stelle: Als sie sich in der 310-köpfigen Unionsfraktion kurz vorstellte, hieß die Kanzlerin sie persönlich herzlich willkommen.

Inzwischen ist sie ins Räderwerk des Bundesparlaments integriert, sitzt hin und wieder als Schriftführerin neben dem jeweils amtierenden Bundestagspräsidenten, arbeitet für ihre Fraktion als Berichterstatterin für Italien und im Energiebereich - und weiß noch genau, wie ihr Interesse an Politik geweckt wurde, weil es noch gar nicht so lange her ist: Mit 16 war es, im Gemeinschaftskundeunterricht. Drei Jahre später trat sie der Jungen Union bei, ein Jahr darauf der CDU, und wieder ein Jahr später war sie bereits stellvertretende Kreisvorsitzende in Calw.

Als Jüngste gehört Schmitt zur Jungen Gruppe der Union, trifft sich auch mit den Youngstern der SPD. Und wenn sie an die Zukunft denkt? An mögliche andere Konstellationen? "Ich sehe auch Schnittmengen mit den Grünen." Doch davor kommt, was viele andere Studenten auch vor sich haben: die Masterarbeit.

(may-)
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